Rom/Berlin - Der italienische Regierungschef Romano Prodi hat seinem Vorgänger Silvio Berlusconi vorgeworfen, Italien "versklavt" zu haben. "Dieses Land ist zuvor versklavt worden. Der frühere Ministerpräsident konnte tun und lassen, was er wollte (...) Der Berlusconismus hat das italienische Volk systematisch verändert, die Mentalität der Leute. Ihre Werte", sagte Prodi im Interview mit der "Zeit" am Donnerstag. Das Interview, das vom "Zeit"-Chefredakteur Giovanni Di Lorenzo geführt wurde, wurde zugleich von der römischen Tageszeitung "La Repubblica" veröffentlicht.

Prodi bezeichnete Berlusconis Politbewegung Forza Italia als Partei derjenigen, die immer in zweiter Reihe parken. "Genau das hat er doch propagiert: Den Fiskus zu prellen ist kein Problem. In zweiter Reihe zu parken ist kein Problem. Der Staat ist der Gegner, der Feind. Und mit seinen Medien hat er immer wieder diese Propaganda verbreitet", betonte der Ministerpräsident.

Der neue italienische Regierungschef erklärte, er arbeite an der Gründung einer neuen Demokratischen Partei. "Sie wird die beiden größten Parteien meiner Koalition, die Linksdemokraten und die Margherita, vereinen. Schon jetzt bilden sie eine Fraktionsgemeinschaft, auf die ich in beiden Kammern zählen kann. Einer traditionellen Partei fühle ich mich hingegen nicht zugehörig", erklärte der Anführer der Mitte-Links-Koalition.

Versicherung

Der Regierungschef versicherte, dass sein Kabinett stabil sein werde. "Alle (Parteien der Koalition, Anm.) haben mein Reformprogramm unterschrieben. Alle und in allen Punkten - mit Ausnahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaften und der Förderung der Privatschulen. Ob man es nun glaubt oder nicht - wir werden Politik auf der Grundlage dieses Programms machen. Die Lage ist doch jedem klar: Bin ich weg, ist die Regierung weg; ist die Regierung weg, bleiben wir die nächsten 60 Jahre in der Opposition", erklärte Prodi.

Die Beteilung von zwei kommunistischen Parteien an seiner Regierungskoalition sieht Prodi nicht als Problem. "Wir haben nur mehr Folklore: die Rifondazione Comunista, die Comunisti Italiani. Aber verglichen mit (Oskar) Lafontaine, ist das eher harmlos", so der Ministerpräsident.

Wirtschaft

Auf die Frage, ob Italien Ende 2007 wieder die Maastricht-Kriterium erfüllen wird, antwortete Prodi: "Warum denn nicht? Die jetzige Opposition hat mir vorgeworfen, dass der von mir eingeführte Euro die Teuerung ins Land gebracht hat. In Wirklichkeit habe ich schon 1996 in Italien für eine Disziplin der Finanzen gesorgt, die das Land dringend nötig hatte, um mit den anderen konkurrieren zu können. Ohne Euro hätten wir ein wirtschaftliches Desaster erlebt. Jetzt brauchen wir neue Anstöße: Manche Reformen, die wir voranbringen werden, kosten nichts, beispielsweise das neue Spargesetz für die Ministerien oder einige Reformen in der Landwirtschaft."

Prodi erklärte, seine Regierung werde ein Kartellgesetz im Medienbereich voranbringen. "Ich will Berlusconi nicht abstrafen, sondern für den italienischen Medienmarkt einen freieren Wettbewerb ermöglichen", so der Regierungschef. (APA)