Innsbruck/Rom – Kurz vor dem heute beginnenden EU-Verkehrsministerrat in Luxemburg gibt es Anzeichen, dass Italien unter der Regierung Prodi den Widerstand gegen das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention aufgeben könnte. Österreich hat das Protokoll unter Druck von NGOs (Nonprofitorganisationen) auf die Tagesordnung des Ministerrates gesetzt. Im Verkehrsministerium hieß es: "Noch ist alles offen".

Wie aus Regierungskreisen in Rom zu erfahren, soll es außer vom Grünen-Umweltminister Alfonso Pecorario Scanio auch vom neuen kommunistischen Transportminister Alessandro Bianchi Signale für eine Trendwende geben. Italien, das unter Berlusconi auch eine innerstaatliche Ratifizierung verschleppt hatte, kommt eine Schlüsselrolle zu. Andere südeuropäische Staaten haben sich zuletzt an der Haltung Roms orientiert.

Kostenwahrheit

Der italienische Frächterverband hat die Regierung nun zur Ablehnung aufgefordert: Eine angestrebte Verlagerung von alpenquerenden Gütertransporten auf die Schiene würde Italien gegenüber Österreich und der Schweiz benachteiligen, da die Kapazitäten der Bahninfrastruktur nicht ausreichend seien.

Durchbruch

Mit einer Unterzeichnung durch die EU würde ein Durchbruch in der Verkehrspolitik der Union für die Alpen erzielt. Die Kommission müsste sich bei ihren Richtlinien und anderen Rechtsakten, die die Alpen betreffen, daran orientieren. Die Staaten verpflichten sich damit zu einem "Verzicht" auf neue alpenquerende Straßen, zur Reduktion verkehrsbedingter Schadstoffe und zur "Kostenwahrheit" nach dem Verursacherprinzip, womit "externe Kosten" bei der Lkw-Maut anzurechnen wären.

In fünf der acht Alpenstaaten ist das Verkehrsprotokoll in Kraft: in Österreich, Liechtenstein und Deutschland seit 2002, in Slowenien seit 2004, in Frankreich seit 2005.

Für Peter Haßlacher vom Alpenverein, NGO-Vertreter bei der Alpenkonvention, ist der EU-Verkehrsministerrat "wohl eine der letzten Möglichkeiten auf lange Sicht". Es zeige sich, ob regionale Besonderheiten eine Chance haben. Die EU-Kommission hat für eine Unterzeichnung plädiert. (Benedikt Sauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.6.2006)