Olafur Eliasson

Foto: STANDARD/ Fischer
2008 wird der dänische Künstler im Kunsthaus Bregenz Friedrich Kiesler und damit wohl auch die Architektur Peter Zumthors interpretieren.


Wien – Mit dem 1967 in Kopenhagen geborenen Olafur Eliasson erhielt einer der aktuell im Kunstgeschehen wohl präsentesten Künstler den mit 55.000 Euro dotierten Österreichischen Friedrich-Kiesler- Preis – und damit zugleich einer, der Friedrich Kieslers Theorie der "correlated arts" in einer zeitgemäßen Umsetzung sehr nahe kommt. Die Jury – die Künstlerin Monica Bonvicini, die Architekten Peter Cook und Gregor Eichinger, der Architekturtheoretiker Marco de Michelis und der Direktor des Kunsthauses Bregenz, Eckhard Schneider – "... würdigt mit Olafur Eliasson einen, dessen interdisziplinärer Werkansatz eine umfassende Neuorientierung für die Beziehungen zwischen Kunstwerk und Betrachter im Wirkungsfeld von Natur, Kultur, Architektur und Kunst darstellt. Basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen, sowie philosophischen und wahrnehmungstheoretischen Modellen schafft Eliasson komplexe, sinnlich erfahrbare Modellierungen der Parameter Zeit und Raum – ganz im Sinne der inspirierenden umfassenden Werkidee Kieslers."

Eckhard Schneider fügt dem im STANDARD-Gespräch hinzu, dass Eliasson sich eine "Basis" erarbeitet hätte, die ziemlich resistent zu sein scheint gegen ein erfolgsbedingtes Ausdünnen, und also noch ungemein viel an Neuem erwarten ließe. Seit etwa zwei Jahren schon plant Schneider mit Eliasson eine auf Kiesler Bezug nehmende Schau im Kunsthaus Bregenz. "Keine Architekturausstellung", am ehesten wohl ein Versuch, Kieslers Modelle zeitgemäß zu interpretieren, eine Arbeit des "Labors Eliasson" mit und an Kiesler im und mit dem Raumgefüge von Peter Zumthors Kunsthaus in Bregenz.

Für Eliasson ist Kiesler keine unbekannte Größe, er zählt den austro-amerikanischen Architekten (1890–1965) zu den großen "Outsidern" des 20. Jahrhunderts. "Kieseler ging sehr nahe an die Kunst. Im Vergleich zu den traditionellen Architekten der Kunstgeschichte ist Kiesler komisch dazischen gelandet, und hat fast nichts gebaut. Für die Ausstellung in Bregenz suchen wir eine Form der Umsetzung, in der es keine Rolle spielt ob die Exponate jetzt Kunst oder Architektur sind."

"Kiesler hat ja so etwas wie eine Sprache entwickelt. Da stellt sich nun die Frage, ob man diese Sprache nur veranschaulicht, oder sie nicht eher dazu benützt, etwas Zeitgenössisches zu formulieren – und ob man das dann auch kann. Es gilt zu zeigen, dass man mit Kieslers Ansatz auch heute noch etwas Gültiges schaffen kann."

Diskussionsbeitrag

Einladungen wie jene nach Bregenz konfrontieren Eliasson nie mit etwas ihm gänzlich Neuem: "Ich arbeite ständig mit Räumen, betreibe ein Labor, in dem fortlaufend Fragen zur Wahrnehmung des Raumes und dem Umgang mit diesem gestellt werden. Da ist schon ein Prozess initiiert. Eine Einladung von außen inspiriert diesen Prozess oder stört ihn, ähnlich wie ein Beitrag in einer Diskussion. Ich stelle keine Überlegungen ausschließlich für den speziellen Moment an, sehe mich eher in einer organischen Entwicklung begriffen."

Als weitere "Outsider" der Kunstgeschichte nennt Eliasson die Architekten Frei Otto und Buckminster Fuller oder die Künstler Wassily Kandinskiy und László Moholy-Nagy. "Und auch Paul Klee hat einen starken Bezug zum Raum, und Brancusi hat sehr große architektonische Ansprüche, trotzdem werden beider Arbeiten kunsthistorisch oft sehr konservativ dargestellt. Es geht aber weniger um einzelne Positionen als darum, eine zeitgenössische Sprache zu entwickeln, die hilft, mit Geschichte umzugehen, die neue Verwendungszwecke von historischen Findungen aufzeigt."

Die Arbeit Friedrich Kieslers hält Eliasson deswegen für höchst aktuell, weil Phänomenologie in den letzten Jahren wieder einen höheren Stellenwert erlangt hat, "weil Vermittlungspositionen die relativieren, die eine Offenheit des Denkens voraussetzen, wieder mehr geschätzt werden – und das wirkt zurück auf die Geschichte. Leute wie Brancusi oder Henry Moore könnten von heute aus anders wahrgenommen werden – als Werkzeuge, mit denen die Kunstgeschichte sich selbst evaluieren kann."

Die Österreichische Freidrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung zeigt bis Anfang Oktober Eliassons The endless study (2005), den Prototypen einer Zeichenmaschine, die Zeichnungen aus den Bewegungen dreier Pendel generiert. Der Rhythmus der getrennt voneinander manipulierbaren Pendel beeinflusst das spätere zweidimensionale Bild. Daneben dokumentieren Fotos eine Erweiterung der Maschine: In der Achse des animierten Zeichenstiftes zeichnete ein Lichtpunkt die sich überlagernden Pendelbewegungen in den Raum. Vermittels Langzeitbelichtung lassen sich die beschriebenen Wege als 3-D-Modell visualisieren. "Ich bin kein Theoretiker, mich beschäftigt nur, was all diese historischen Positionen für ein Heute tun können. Es geht um ein Raumverständnis mit höherer Toleranz für Individualität, ein Infrage- Stellen der normativen Modelle der Moderne." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.6.2006)