Zoran Stancic, EU-Forschungsdirektor, will mit einem Maßnahmenbündel exzellente Forscher nach Europa bringen, will "Beste Teams" fördern und die starren Grenzen zwischen Universität und Industrie durchlässig machen.

Foto: DER STANDARD/Regine Hendrich
Europa muss für Forscher ein attraktiver Arbeitsplatz werden. Dafür müssen Strukturen geschaffen werden, sagt der EU-Generaldirektor für Forschung, Zoran Stancic, und erklärte Karin Pollack, mit welchen Strategien Europa zum neuen Anziehungspunkt werden will.

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STANDARD: Die EU will Europa als Arbeitsmarkt für Forscher attraktiver machen. Wie?
Stancic: Die Europäische Hochschullandschaft ist stark fragmentiert, und das wird kritisiert. Die EU will nicht vereinheitlichen, sondern erst einmal analysieren und Europas Stärken lokalisieren.

STANDARD: Und wo?
Stancic: Wir haben exzellente technische Universitäten in Deutschland und Österreich, es gibt Forschungszentren wie die ETH in Zürich oder den CERN in Genf, in denen auf höchstem Niveau gearbeitet wird, wir haben überall hohe Studentenzahlen. Das ist eine gute Basis, auf der die Politik aufsetzen kann.

STANDARD: Welche konkreten Schritte stellen Sie sich vor?
Stancic: Unsere Förderrichtlinien müssen so angepasst werden, dass Forscher sich frei zwischen Universitäten bewegen können. Mobilität ist ein Leitmotiv.

STANDARD: Und genau deshalb gibt es jetzt den "Europäischen Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern"?
Stancic: Ich würde das als Soft Tool bezeichnen. Es sind die Prinzipien, auf die sich Forschungsorganisationen der Mitgliedstaaten einigen sollten. Es sollte aber auch obligatorische Richtlinien geben.

STANDARD: Und zwar?
Stancic: Europa muss seine Türen für Forscher öffnen. Und zwar nicht nur innerhalb der Mitgliedstaaten, sondern auch für Wissenschafter aus Drittländern. Dafür wurde das "Visapaket für Forscher" verabschiedet, das 2007 in die nationale Gesetzgebung überführt werden muss.

STANDARD: Wie war es bisher?
Stancic: Jedes Mitgliedsland hat das bisher auf freiwilliger Basis geregelt. Für Forscher aus Drittländern, etwa aus Russland, Indien und China, gab es überall Hindernisse.

STANDARD: Mobilität von Forschern soll aber auch zwischen Universität und Industrie erleichtert werden . . .
Stancic: Genau. Es kann nicht sein, dass ein Forscher sich einmal im Leben zwischen Industrie und Universität entscheiden muss und dann nicht mehr zurück kann. Warum sollten denn nicht Forscher aus Unternehmen für eine gewisse Zeit an der Universität arbeiten dürfen und umgekehrt.

STANDARD: Wo ist das Problem?
Stancic: Zum Beispiel die Übertragbarkeit von Pensionsansprüchen oder die Unsicherheit, nach einer Zeit der Abwesenheit wieder in eine entsprechenden Position zurückkehren zu können.

STANDARD: Aber auch Geld?
Stancic: Es ist nicht nur eine Frage von Gehältern. Es geht um eine offizielle Anerkennung von sektorübergreifenden Karrierelaufbahnen.

STANDARD: Kann die USA hier Vorbild sein?
Stancic: Europa unterscheidet sich grundlegend von amerikanischen Strukturen und muss einen eigenen Weg finden. Weil wir viele Mitgliedstaaten haben, geht es darum, Pensionsansprüche für Forscher übertragbar zu machen.

STANDARD: In Europa fehlen junge Forscher. Sie wollen gute Arbeitsbedingungen.
Stancic: Das stimmt. Hier gilt es Möglichkeiten zu schaffen, talentierte Forscher in den besten Teams arbeiten zu lassen. Das heißt: Wir müssen mit dem Aufbau solcher besten Teams beginnen, müssen sie fördern. Im europäischen Forschungsrat arbeiten wir erstmals genau an diesen Konzepten. Schließlich geht es um die Wettbewerbsfähigkeit, Konkurrenz ist eine wichtige Triebkraft.

STANDARD: Die EU will die besten Köpfe nach Europa holen?
Stancic: Wir wollen, dass die besten Wissenschafter hier arbeiten, wenn auch manchmal nur für eine bestimmte Zeit. Wenn sie zurück in ihre Heimatländer gehen, werden wichtige Kontakte bestehen bleiben. Auf diese Weise ergeben sich neue Partnerschaften, die wir etablieren wollen.

STANDARD: Die Infrastruktur ist dafür entscheidend. Und teuer.
Stancic: Natürlich, doch wenn wir Zentren etablieren und sie ausstatten, werden sie zu Anziehungspunkten, vor allem im medizinisch-technischen Bereich müssen wir uns engagieren. Darum geht es: Die Triebkraft eines Forschers ist immer, Dinge zu entdecken. Dieses Grundbedürfnis gilt es zu befriedigen - wenn ein Forscher dazu Labors braucht, muss es sie geben und die EU muss sie zusammen mit den nationalen Forschungseinrichtungen gewährleisten. Und dann ist die intellektuelle Freiheit zum Forschen ein entscheidender Faktor. Das haben wir in Europa.

STANDARD: In Forschungseinrichtungen gibt es immer noch sehr wenige Frauen. Stancic: Gender-Fragen sind ein zentrales Thema. Wir wissen, dass viele Frauen studieren, oft besser und schneller als ihre männlichen Kollegen. Der Frauenanteil sinkt auf nur zehn bis zwölf Prozent, wenn es um Universitätskarrieren geht. Hier müssen wir aufholen, das sind wichtige Punkte, die wir in den Griff bekommen wollen. Statt eigener Frauenförderungsprogramme müssen sie überall integriert sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 07.06. 2006)