Nicht nur der Himmel ist schuld, dass England derzeit auf dem Trockenen sitzt. Der Presse-Boulevard macht auch die Wassergesellschaften dafür verantwortlich. Ein Drittel der Wassermengen geht auf dem Weg zu den Verbrauchern verschütt. Hauptursache sind Lecks in den Leitungen. Dazu kommt die Besitzfrage. 1989 hat Margaret Thatcher die Wasser-Privatisierung durch das Unterhaus gepeitscht. Heute gehört "Thames Water", der größte Wasserversorger Großbritanniens, dem deutschen Konzern RWE, agiert mittlerweile global und ist die fetteste Cashcow der Essener Firma.

Privatisiert wurde mit dem Argument, der Staat sei kein guter Unternehmer. Das hat gestimmt. Als richtig herausgestellt haben sich auch die Gegenargumente. Dass ein Privatkonzern nicht unbedingt die Versorgung als Priorität sehen würde, sondern eher den Profit. Wasser wird vielfach als "Öl des 21. Jahrhunderts" bezeichnet - nur mit dem Unterschied, dass es zum Wasser keine Alternativen gibt. Und dass sich Wasser, zumindest im Westen, derzeit noch fast alle leisten können.

Deshalb verkürzt man die Kritik an den Landeshauptleuten, wenn man ihre Opposition zur Verbund-OMV-Fusion bloß als Folge von Schlagzeilen der Kronen Zeitung darstellt. Die Liebe zum Wasser wächst aus den Gemeinden. Wasser ist nicht nur zum Trinken und Waschen da, sondern gleichzeitig eine der wichtigsten Energiequellen.

Wasser wird es, sagen Klimaexperten, bei uns auch in den nächsten Jahrzehnten genügend geben. Gefahren gibt es trotzdem. Erstens: immer weniger "Schnürlregen", immer mehr kürzere "Starkregen", die in die durch Traktoren verdichteten oder durch Straßen versiegelten Böden nicht mehr eindringen. Zweitens: Privatisiertes Wasser, das der demokratischen Kontrolle entzogen ist, wird in Trockenregionen verkauft. Für sozial schwächere Schichten wird Wasser mindestens so teuer wie Milch.

In den Länderregierungen, die ihre Teilentmachtung durch die EU-Mitgliedschaft spüren, wächst die Opposition gegen weitere Einschnitte. Formal werden natürlich Äpfel und Birnen verwechselt. Beim Verbund-OMV-Deal geht es nicht um Wasser generell, sondern um Wasserkraft. Und 51 Prozent Staatsanteil (Bund und Länder) ist auch nicht besser als 25 Prozent, wenn sich die Vertreter der öffentlichen Wirtschaft nicht einig sind. Hinter der "Uneinigkeit" in der ÖVP oder anders - zwischen Regierung und Ländern - steckt in Wirklichkeit eine Meinungsverschiedenheit über die Rolle des Staats.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist seit seinen Tagen als Wirtschaftskämmerer ein radikaler, von Thatcher begeisterter Privatisierer. Landeshauptmann Erwin Pröll folgt ihm da nicht - und steht damit in einer Reihe mit sozialdemokratischen Kollegen.

Rückenwind liefern die Klimakatastrophen. In den USA (wo 80 Prozent der Wasserversorgung und 100 Prozent der Post übrigens in Staatsbesitz liegen) ist nach dem Hurrikan "Katrina" und dem Versinken von New Orleans eine Debatte ausgebrochen: Was passiert, wenn der Staat oder eine Stadt alles weggeben? Ohne einen einzigen Bus in öffentlichem Besitz können Evakuierungen nur schwer organisiert werden. Wenn alle Spitäler privatisiert sind, gibt es keine exekutierbare Verpflichtung für die Träger, sie wieder an Ort und Stelle aufzubauen.

Staat oder privat? Ohne sich selbst aufzugeben, muss der Staat über Strom, Wasser, Bahn und Straßen, Sender und Poststrukturen so weit verfügen können, dass eine Basisversorgung garantiert ist. Sonst hat er seine Berechtigung verspielt.

In einem ZiB-2-Interview hat Wirtschaftschef Christoph Leitl etwas gesagt, das man zweimal lesen sollte: Um die Wasserkraft zu sichern, sollte man "den Bürgern das Gefühl geben, dass die Wasserkraft heimisch bleibt und zugleich dennoch eine . . . Konstruktion, die wünschenswert ist, umzusetzen". Achtung: Es geht nur um ein "Gefühl", nicht um eine Garantie. Wir sollten weiterhin extrem wachsam bleiben. ( gerfried.sperl@derStandard.at , DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2006)