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Generaldirektorin Lindner, "ZiB 2"-Moderator Wolf.

Fotos: APA/Gindl, Schlager
Mitten in der Hofburg eine ORF-Schelte. Das war am Mittwochabend nicht das übliche "Hund beißt Mann", sondern "Mann beißt Hund". Und was für einen. Den Rottweiler der Medienbranche.

Was Armin Wolf da an Fakten aufzählte, weiß man. Die scharfe Kritik anlässlich der Verleihung des Robert-Hochner-Medienpreises war jedoch eine besonders pikante Version der "Innenpolitik von innen" (so hieß eine mittlerweile legendäre Kolumne Kurt Vorhofers im "Neuen Forum" Günther Nennings). Gekennzeichnet war Wolfs Abrechnung mit dem ORF nicht nur von enormer Zivilcourage, sondern gleichzeitig von präziser Benennung der Hauptprobleme: kein innerer Pluralismus, kein Wettbewerb der Redaktionen, hemmungslose Einflussnahme der Parteien, zahnlose Stiftungsräte. Vom früheren "Gleichgewicht des Schreckens" sei nur noch der Schrecken geblieben.

Lindner hat (noch) nicht zur härtesten Disziplinarwaffe gegriffen

Monika Lindner, die Generaldirektorin, hat (noch) nicht zur härtesten Disziplinarwaffe gegriffen. Das würden ihr weder Wilhelm Molterer noch Erwin Pröll empfehlen. Aber so, wie man heuer auf Wolfs Brillanz bei den "Sommergesprächen" verzichtet, weil er 2005 dem Kanzler zu nahe trat, wird man nach der Wiederwahl der momentan noch verhalten agierenden Exponentin der Jagdgesellschaft schon Mittel und Wege finden, den aufmüpfigen "ZiB 2"-Moderator kaltzustellen.

Die Verlogenheit, die den ÖVP-Klubobmann in der Eurofighter-Debatte auf die Neutralität schwören ließ, obwohl sie von seiner Partei rhetorisch längst abgeschafft wurde, lässt auch auf die Glaubwürdigkeit künftiger ORF-Argumente schließen. Die Regierung wird von Medienfreiheit schwärmen und gleichzeitig massive Einschränkungen beschließen. Sie wird die Objektivität des Rundfunkgesetzes beschwören und gleichzeitig die Subjektivität der ÖVP zur einzigen Richtlinie machen.

"Gleichgewicht des Schreckens"

Kann sich all das ändern, sollte die SPÖ an die Macht kommen? Wir wissen es nicht, obwohl Alfred Gusenbauer eine offenere und kompetentere Führungscrew installieren möchte. Vorsicht ist angebracht, weil vergangene SPÖ-geführte Regierungen ebenfalls ("Gleichgewicht des Schreckens") massiven Einfluss ausgeübt haben. Und der ORF-Generalsekretär Andreas Rudas später als Peitsche der Sozialdemokratie fungiert hat.

Die Mutigen sind auch in der Medienbranche dünn gesät

Falsch wäre es gleichzeitig zu glauben, die ORF-Journalisten stünden geschlossen hinter Armin Wolf. Wie in jedem Betrieb sind die Mutigen auch in der Medienbranche dünn gesät. Wie die Befehlsketten funktionieren und wie Vorsicht den Tagesbetrieb dominiert, sieht man an der Besetzung von Diskussionssendungen und an der Auswahl von Zitaten aus Tageszeitungen. Bis in den Teletext hinein zieht sich die Rücksicht auf die Frage: "Wie sieht das der Herr Mück? Oder gar die Frau Lindner?"

Deren Zugriff hat längst auch Grenzen der Menschenwürde erreicht. Der eine ist ihnen zu dünn, die andere zu dick. Wieder andere haben die falsche Haarfarbe oder nicht mehr das richtige Alter. Alles nur, um Parteienwünsche zu kaschieren? Leider ja.

Konkurrenz zwischen den Kanälen

Doch das sind bereits Folgeprobleme der Misere. Kernaussage der Wolf-Schelte ist, dass es zu einem "kreativen Wettbewerb" innerhalb des ORF und seiner Redaktionen kommen muss, um eine "Vielfalt an Inhalten und Meinungen" herzustellen. Das geht nur mit einer Konkurrenz zwischen den Kanälen und einer Neukonstruktion der Führungsstruktur zumindest im Informationsbereich.

Kadavergehorsam oberste Maxime

Armin Wolf hat gegen Schluss den Zustand des Stiftungsrats charakterisiert. Von "35 unabhängigen Stiftungsräten" zu sprechen, war eine Übertreibung. Vielleicht verbunden mit der Hoffnung, dieses Gremium könnte doch noch etwas bewegen. Bis auf wenige Mitglieder ist leider auch dort der Kadavergehorsam oberste Maxime. Einen Wolf gibt es nicht, einen oder zwei graue vielleicht. Doch das ist zu wenig.

Nur: Wer stoppt die Parteipolitik? Jemand, dem zumindest eine Wiederwahl gleichgültig ist. Antwort offen. ( gerfried.sperl@derStandard.at , DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2006)