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Foto: dpa/lmv/Jens Büttner
Verteilungskämpfe finden seit geraumer Zeit nicht nur an der Lohnfront statt, an der sie sich nachweislich zugunsten "des Kapitals" und zum Nachteil unselbstständig Beschäftigter verschoben haben. Hier wäre nicht der Ort, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wenn es in der Wissensgesellschaft nicht noch eine zweite, stille Ebene für das Ringen um eine faire Verteilung gebe: die Anschaffung und Verwendung unserer digitalen Werkzeuge.

Konsequenzen

Das ist zwar nur die Fortsetzung der Debatte, ob man die Schularbeiten der Kinder auf dem Kopierer im Büro kopieren oder in welchem Umfang man im Büro private Telefonate führen darf. Aber seit unsere Ausstattung das "P" im Titel führt (wie in Personal Computer) und wir Telefone in der Tasche haben, statt sie am Schreibtisch anzuleinen, hat die Debatte neuen Schwung bekommen - und immer wieder handfeste arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Entlassungen wegen privaten Surfens oder E-Mail-Gebrauchs.

Unscharfe Grenzen

Mit den "Personal Tools", vom Internet-PC bis zum Handy, sind die Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatleben unscharf geworden. Arbeiten von neun bis fünf, das industrielle Zeitschema, ist in der Ära von Internet und "knowledge workers" passé. Dabei gibt es zwei Aspekte: Die Investitionen und den laufenden Betriebsaufwand bzw. die Nutzungsrechte. Für weite Teile von Wirtschaft und öffentlichem Sektor ist es selbstverständlich geworden, dass Mitarbeiter daheim einen PC samt Internetzugang und ein Handy haben. Nehmen wir zum Beispiel Schulen: In den meisten haben Lehrer nicht einmal einen fixen Arbeitsplatz und schon gar nicht ein individuelles Notebook. Wer so zeitgemäße Dinge tun will, wie Schulprojekte oder Kontakt zu Schülern oder Eltern online abzuwickeln, kommt um eigene Ausstattung nicht umhin.

Oder das Handy: Natürlich gibt es zahlreiche Modelle, wie Firmen Gebühren, manchmal auch Anschaffungskosten übernehmen. Aber die Handyindustrie verkauft den weitaus überwiegenden Teil ihrer Geräte an Konsumenten (jenseits von 80 Prozent), was im Klartext heißt: Viele Unternehmen sparen sich Geld für ein Arbeitsmittel, das sie voraussetzen.

Kontraproduktiver Unfug

Andererseits gibt es kaum Arbeitsplätze, an denen privater E-Mail-oder Internet-Gebrauch nicht zumindest misstrauisch beäugt, wenn nicht sogar explizit eingeschränkt wird. Das ist kontraproduktiver Unfug: Denn der Umgang mit den neuen Werkzeugen und Medien will erlernt sein, und von den Kindern wissen wir, wie's am besten geht: spielerisch. Neue Programme auszuprobieren, zu surfen, zu bloggen, Bilder auf Flickr hochzuladen sollte gefördert statt auf den Index gesetzt werden - auf diesen Umwegen lernen Mitarbeiter mit Technik produktiv umzugehen. Wer von Mitarbeitern erwartet, dass sie auch am Wochenende Mails beantworten, muss umgekehrt zwischen "neun und fünf" private Mails am Firmen-PC ermöglichen.

Schwierige Punkte

Das berührt schwierige Punkte: Das IT-Sicherheitsbedürfnis von Firmen ist verständlich - das führt zu Einschränkungen über die Möglichkeiten, am PC selbst Änderungen vorzunehmen; Mail in Firmen wird zunehmend ablagepflichtig, also muss man kreative Lösungen suchen, wie private, nicht protokollierte Mail möglich ist (etwa zusätzliche Internetterminals außerhalb des Firmennetzes). Das braucht Vereinbarungen, und dort liegt der Haken: Sie lassen sich in Kollektivverträgen nur rudimentär festlegen - sie müssen laufend ausgehandelt werden. Bei IBM beispielsweise gibt es eine Art Ehrenkodex für bloggende Mitarbeiter, den diese mit ihrem Management vereinbarten.

Arbeitgeber pochen gern auf die nötige private Initiative von Mitarbeitern - aber das bedingt, dass sie diese nicht auslagern, sondern im eigenen Bereich praktizieren. Da bleibt noch viel zu tun.(Helmut Spudich, DER STANDARD, Printausgabe)