Der Klub slowenischer Studenten protestiert vor der Pressekonferenz Jörg Haiders. Der begrüßt die Demonstranten - auf Slowenisch. Aber mehr wurde nicht gesprochen.

Foto: Matthias Cremer
Jörg Haider lehnt die Ortstafel-Verordnung des Kanzlers ab. Er fordert ein Verfassungs-Gesetz - also mit Zustimmung der SPÖ. Die blockt ab. Denn ein Gesetz könnte völkerrechtliche Probleme bedeuten, sagen Verfassungsjuristen. Ob ab Juli exekutiert wird, ist offen.

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Wien - "Dober dan", sagt Ilja Messner. "Dober dan", grüßt Jörg Haider zurück. Ende des Gesprächs. Dabei hätte Messner für den Klub slowenischer StudentInnen noch viel zu sagen gehabt: Über die "Ignoranz" gegenüber der slowenischen Minderheit zum Beispiel. Dafür passte Messner extra Haider im Café Landtmann ab, unübersehbar mit Ortstafel-Tafeln.

Haider: Schlussstrich

Der Kärntner Landeshauptmann begründete aber lieber vor Journalisten ausführlich, warum er die Ortstafel-Verordnung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ablehnt. Haider stützt sich dabei auf ein Gutachten des Kärntner Verfassungsdienstes. Die Hauptkritikpunkte: Im Verordnungsentwurf seien Ortstafeln für Ortschaften vorgesehen, in denen der Minderheitenanteil unter zehn Prozent liege oder in denen es kein verbautes Gebiet gebe.

Damit gehe der Verordnungsentwurf über das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis hinaus. Haider glaubt sich in seiner Kritik eins mit Kärntner SPÖ-Bürgermeistern, auch diese lehnen in Stellungnahmen den Verordnungsentwurf ab. Haider kann sich daher nicht vorstellen, dass der Entwurf im Ministerrat auf den Tisch kommt. Wenn doch - werde das BZÖ ein Veto einlegen.

Haiders Gegenvorschlag: Er will einen "historischen Schlussstrich" - in Form eines Verfassungsgesetzes. Dafür bräuchte es die Zustimmung der SPÖ. Kanzler Wolfgang Schüssel will diesen Haider-Vorschlag vorerst nicht kommentieren, sondern das Ende der Begutachtungsfrist für den Ortstafelentwurf abwarten. Bei der SPÖ holt sich Haider kalte Füße: "Wir verhandeln über kein Gesetz, mit dem das Höchstgericht ausgehebelt wird. Das ist ein Ablenkungsmanöver Haiders."

Denn Haider will den Prozentsatz für eine Minderheit via Verfassungsgesetz festlegen. Das wäre höchst problematisch, argumentiert Verfassungsjurist Heinz Mayer: "Der Verfassungsgerichtshof leitet den Prozentsatz aus dem Staatsvertrag ab. Wenn man den Prozentsatz ändert, verändert man den Staatsvertrag - und das könnte völkerrechtliche Folgen haben, wenn einer der damaligen Staatsvertrags-Unterzeichner dagegen ist." Mayers Kollege, Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk, sieht das ähnlich - wenn ein Gesetz einen Minderheitenprozentsatz, ab dem Ortstafeln aufgestellt werden müssen, festschreibe, der deutlich über der Schwelle von zehn Prozent liege. Diese Grenze hatte der VfGH gesetzt. Eine höhere Zahl entspräche laut Funk "nicht dem Konzept des VfGH". Im Gegenteil: "Damit würden Entscheide des Höchstgerichts infrage gestellt und nicht auf Punkt und Beistrich umgesetzt."

Juli "steht in Sternen"

Der VfGH hat bis 30. Juni eine Frist gesetzt. Was passiert, wenn bis dahin weder die Verordnung des Bundeskanzleramts noch ein Gesetz beschlossen ist? - Auf diese Frage kann Funk nur seufzen: "Das steht in den Sternen. Da gibt es juristisch verschiedenste Auffassungen, ob das Höchstgericht sein Urteil über die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln via Antrag an den Bundespräsidenten exekutieren kann." Was die Rechtsfrage noch schwieriger macht: Es gibt dafür keinen Präzendenzfall.

Frage der Exekution

Eine Vorentscheidung, ob der VfGH einen Exekutionsantrag stellen könnte, fällt am 14. Juni. Da wird vor dem Höchstgericht der Antrag der Volksanwaltschaft verhandelt: Die hat sich über die "verrückten" und wieder einsprachigen Ortstafeln in Bleiburg, St. Kanzian und Ebersdorf beschwert. Im Zuge der Verhandlung soll geklärt werden, ob die Exekution der Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse für die Ortschaften infrage kommt - oder nicht. Das könnte eine Vorentscheidung für ganz Kärnten sein. Falls Haider dann nicht etwas Neues einfällt. (DER STANDARD, Printausgabe 3./4./5. 6. 2006)