Mozart im Scherenschnitt von "Machfeld": Mit Dirigierstab - oder Prügel

Foto: STANDARD/Fischer
Wien - Schon während des Aufbaus der Ausstellung hatte eine der vielen Frauen, die im Grätzel ihren Körper der lüsternen Kundschaft feilbieten, vorbeigeschaut. Lange und ausführlich erkundigte sie sich, was denn das für eine Aktion sei, dann faltete sie die Programmfolder fein säuberlich zusammen, um sie an Interssierte zu verteilen.

Mozart ohne Kitsch

Die "Konfiguration 2" des vierteiligen Kunstprojektes "Remapping Mozart" ist in das Leopoldtädter Stuwerviertel übersiedelt, um dort mit der Bevölkerung Kontakt aufzunehmen. Aber es ist nicht der süßliche Mozart; es ist alles andere als der Kitsch-Wolferl, der ihnen vorgesetzt wird. Die künstlerischen Aktivitäten unter dem Titel "Frisch zum Kampfe! Frisch zum Streite!" (Zitat aus der "Entführung") setzen sich mit Mozarts Zeit auseinander - und spiegeln sie in die Jetztzeit der Arbeiter, der Migranten und der Sexarbeiterinnen im Viertel.

Unruhen-Karte

In der zentralen Ausstellung in der Molkereistraße 2 geht es etwa um Figaros Hochzeit und die Bedeutung des Werkes im Vorfeld der französischen Revolution. Da wird auf einer Weltkarte mit Sternen angezeigt, wo es während der Lebenszeit Mozarts überall Unruhen und Aufstände gab. Dabei ist Ausstellung-Kuratorin Nora Steinfeld in der Spiegelung zur Gegenwart der Sklavenaufstand auf Haiti "fast noch wichtiger" als die französische Revolution.

Im Gegenschnitt werden auch Beispiele für die kommerzielle Nutzung des Begriffs "Revolution" gezeigt: Wie etwa die "Pfanni"-Werbung: "Jede Revolution beginnt mit einem Auflauf". Auf der anderen Seite des Raumes wird ein "Mozart-Minute"-Videos gezeigt. Unter "Codename: Figaro" heißt es da zu einer Partner-Anbahnung: "Organisierte Hochzeiten haben in diesem Land eine lange Tradition. - Heiraten Sie einen Migranten aus Liebe - es ist eine Möglichkeit, legal im Land arbeiten zu dürfen."

Wörterbuch für Sexarbeiterinnen

Das Thema Prostitution wurde vom Linzer Beratungszentrum "Maiz" aufgearbeitet - unter anderem wird ein "Wörterbuch für Sexarbeiterinnen" präsentiert, das Basics in der Muttersprache und auf Deutsch vermittelt - wie etwa: "Geld", "halbe Stunde", "entspann dich", "ich bin geil", du bist geil".

"Was soll das hier?"

Die grundlegenden Texte zur Ausstellung sind in den Auslagen dieses ehemaligen Kleidergeschäftes nicht nur auf Deutsch, sondern vor allem auch auf Türkisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch auf großen Schildern zu lesen. Vielleicht mit ein Grund, weshalb ein Anwohner einmal in die Ausstellung marschierte und gleich einmal "Was soll das hier?" schrie. "Dann aber blieb der Mann drei Stunden lang und schaute sich alles ganz genau an", berichtet Co-Kurator Ljubomir Bratic.

Vor allem aber ist die Kunstaktion auch noch überall im Viertel präsent: Zwölf Künstlerinnen und Künstler haben Mozarts Zeit in den Geschäftsauslagen aufgearbeitet. Da hat etwa Patricia Reschenbach im Schaufenster eines Papiergeschäftes historische Darstellungen arbeitender Frauen mit Texten versehen. Oder am Max Winterplatz, wo die Gruppe Machfeld Mozart-Scherenschnitte mit einer Videoinstallation kombinierte.

"Remapping Mozart" gastiert noch bis 11. Juni im Stuwerviertel. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 03./04./05.06.2006)