Berlin/Schwerin - Zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft ist ein Streit um die monumentalen NS-Statuen am Berliner Olympiastadion aufgewacht. Eine ähnliche Situation hatte es schon bei der gescheiterten Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele 2000 gegeben. Die heroisierenden "Muskelpakete" von Künstlern wie Arno Breker und Josef Thorak mit den "Rosseführern", Diskuswerfern und Staffelläufern waren auf Anordnung Hitlers zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin aufgestellt worden. Für Thoraks "Faustkämpfer" soll Max Schmeling Modell gestanden haben.

Monumentales Relikt

Die Statuen aus Travertin, einem porösen Kalkstein, überstanden den Krieg und wurden nie entfernt - auch nicht von der britischen Besatzungsmacht, die auf dem Olympiagelände bis zum Abzug 1994 ihr Hauptquartier hatte und dort alljährlich den Geburtstag ihrer Königin feierte. Aber das Gelände gilt seit der NS-Zeit als "belastet" und ist, wie der Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann es formulierte, "das einzige unzerstört in unsere Gegenwart ragende monumentale Relikt aus Hitlers untergegangenem Reich". 1936 hatte NS-Propagandaminister Joseph Goebbels freimütig notiert: "Nach der Olympiade werden wir rabiat. Dann wird geschossen." 2.000 zumeist junge Menschen büßten das unter anderem bei Kriegsende, als das Olympiastadion zur Festung erklärt wurde.

Abriss, Verhüllung, Verbleib?

Während der Schriftsteller Ralph Giordano den Abriss der heroisierenden "Muskelpakete" von 1936 fordert und Lea Rosh, Initiatorin des Holocaust-Denkmals in Berlin, wenigstens für eine kommentierende Verhüllung der Plastiken während der WM plädiert, sind Politiker und auch Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland gegen ein "Wegräumen, Verdecken oder Verdrängen der deutschen Geschichte". Konsequenterweise müsse man dann auch das von Hitler maßgeblich mitgestaltete Stadion von Architekt Werner March abreißen.

Brekers Witwe findet die Forderung nach einem Abriss der Plastiken absurd. "Nichts daran ist Nazi-Kunst, ich kann darüber nur lachen", sagte die 79-Jährige der "Bild"-Zeitung. Und der Breker-Experte und Wiener Künstler Ernst Fuchs meinte in dem gleichen Beitrag: "Breker abzureißen wäre nicht besser als die Bücherverbrennungen der Nazis." Brekers Statuen seien keine NS-Kunst, sondern Dokumente einer Epoche. Eine Ausstellung über die NS-Athletenstatuen im Berliner Georg-Kolbe-Museum in der Nähe des Olympiastadions versucht das auch zu verdeutlichen, auch der Bildhauer Kolbe ist an der Anlage beteiligt.

Sorge um Gästeblick

Der damalige Olympiabeauftragte und frühere Präsident der Goethe-Gesellschaft Hilmar Hoffmann sah das seinerzeit schon skeptischer: "Wir können nicht etwas bagatellisieren in der Hoffnung, dass die Ausländer sich nicht aufregen werden. Hier stellt sich doch die Ideologie jener Mächte dar, die Europa mit Mord und Totschlag überrannten." Rosh plädiert jetzt für eine Verhüllung wenigstens während der WM mit ausführlicheren textlichen Erläuterungen, NOK-Ehrenpräsident Willi Daume hatte in früheren Zeiten Verpackungskünstler Christo dafür vorgeschlagen.

Die Berliner Kulturverwaltung verweist jetzt darauf, dass ein solcher "kommentierender historischer Rundgang" auf dem Gelände pünktlich zur WM gerade fertig gestellt worden ist. Andere plädieren noch zusätzlich für eine Gegenüberstellung mit Plastiken von Künstlern wie Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, die von den Nazis verfemt wurden.

Schwerin zeigt Breker

(APA/dpa) - Das Werk des umstrittenen deutschen Bildhauers Arno Breker (1900-1991) wird erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Sommer in Schwerin umfassend vorgestellt.

In der Schweriner Ausstellung werden die expressiven frühen Plastiken ebenso wie die Entwürfe für die heroischen Monumentalskulpturen der 30er und 40er Jahre und Arbeiten zwischen 1945 und 1991 gezeigt. Das geht aus dem Programmheft für den Schweriner Kultursommer 2006 hervor, in dessen Rahmen die Schau vom 22. Juli bis 22. Oktober im Schleswig-Holstein-Haus zu sehen ist.

"Das Ziel der Breker-Ausstellung ist, Person und Werk des Künstlers nach mehr als 60 Jahren weitestgehender Abwesenheit in einen kritischen, öffentlichen Diskurs zurückzuholen", heißt es dort. "Das ist nur möglich, wenn man seine Arbeit zu sehen bekommt." Die Ausstellung, zu der ein kritischer Aufsatzband erscheint, solle der Anfang sein für eine detaillierte Beschäftigung mit dem Künstler, der der Lieblingsbildhauer Hitlers war. (APA/dpa)