Wien/Frankfurt/Zürich/Paris - Im jüngsten Angebot der USA an den Iran, erstmals seit 27 Jahren Direktgespräche, zu führen, sieht die Financial Times Deutschland

am Donnerstag einen "Test für Teheran".

In einem Kommentar des Blattes heißt es: "Im globalen Ringen um das Atomprogramm schließen sich die Amerikaner also den Europäern an. Das ist ein Erfolg, und es erhöht die Chancen darauf, dass Bewegung in den festgefahrenen Konflikt kommt - selbst wenn (der iranische Präsident Mahmoud) Ahmadinedschad (Ahmadinejad) das Angebot zunächst verwirft. Sollte Iran nun nicht seinerseits einen Schritt auf den Westen zugehen, dürfte es sich Ahmadinedschad auch bei den bisherigen Bremsern im Uno-Sicherheitsrat, Russland und China, verscherzen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Gremium Wirtschaftssanktionen gegen Iran verhängt.

Ringt es sich doch nicht dazu durch, muss Teheran damit rechnen, dass zumindest die Europäer einseitig Sanktionen erlassen, die aber durchaus schmerzhaft wären. Indem die US-Regierung ein Stück nachgegeben hat, hat sie geschickt die diplomatische Drohkulisse gegenüber Iran noch verstärkt. Das amerikanische Zugeständnis ist der entscheidende Test für die Absichten der iranischen Führung. Mehr, als ihr jetzt angeboten wird, kann sie nicht heraushandeln: Die Europäer sind bereit, die Iraner mit ziviler Nukleartechnik zu beliefern, die Amerikaner eröffnen ihnen einen direkten Gesprächskanal, womit auch die Möglichkeit verbunden ist, mit dem 'großen Satan' über Sicherheitsgarantien zu reden. Schlägt Ahmadinedschad all dies aus, dann ist klar, dass es ihm nicht ernsthaft um eine Lösung des Streits geht. Und auch nicht um eine friedliche Nutzung der Atomenergie." Neue Zürcher Zeitung

"Die Änderung der amerikanischen Verhandlungsstrategie gegenüber Iran und dessen Atomprogramm kommt nicht ganz unerwartet. Sie geschieht am Vorabend des (Wiener) Treffens mit den Außenministern der EU-3, Chinas und Russlands, die das seit langem vorbereitete Paket von Angeboten und andern Maßnahmen nun beschließen sollen. Die Einigung mit diesen fünf scheint jetzt endlich unter Dach und Fach zu sein. Dies zu erreichen, war allein eine ziemlich mühsame Angelegenheit. Die Ankündigung von (US-Außenministerin) Rice folgt auch auf Aufforderungen insbesondere der deutschen Regierung, an den Verhandlungen direkt mitzuwirken, und auf ähnliche Aufrufe amerikanischer Politiker und ehemaliger Beamter. Das Versprechen einer bedingten Teilnahme Washingtons an multilateralen Direktgesprächen mit Iran ist allerdings nicht die atemberaubende Kehrtwende, als die sie nun verkauft wird, sondern nur ein kleiner Zug in einer Schachpartie, die viel länger dauern wird..."

Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Ohne Zweifel ist das eine große Chance zur Beilegung des Atomstreits, vielleicht sogar die bisher beste: Die amerikanische Regierung ist zum ersten Mal dazu bereit, direkt mit Iran über das undurchsichtige Atomprogramm des Landes zu reden, das im Ausland so viel Besorgnis hervorgerufen hat. Für die Regierung Bush ist das ein gewaltiger Schritt, hatte sie doch auch im Falle Teherans lange mit einer Politik des Regimewechsels geliebäugelt. Leute, mit denen man verhandeln will, wird man aber nicht gleichzeitig zu stürzen versuchen - es geht also um die Herbeiführung eines Politikwechsels in Teheran. Wahrscheinlich ist man in Washington zu der Einsicht gelangt, dass Anreize, die fast nur von den Europäern geliefert werden, letztlich nicht genug sind, um eine Regierung zu beeindrucken, die sich derzeit übermäßig stark fühlt. Klugerweise haben die Amerikaner ihr Gesprächsangebot erst einmal auf die Teilnahme an den Verhandlungen Irans mit der EU beschränkt und es von der seit Jahr und Tag vom Westen geforderten Aussetzung der Urananreicherung abhängig gemacht. Den Beweis, das man ihnen vertrauen kann, sind die Iraner nämlich bis heute schuldig geblieben."

Süddeutsche Zeitung

"Die Regierung Bush hat in den Hochzeiten ihrer moralischen Hybris die Politik ausgegeben, mit Regimes zweifelhafter Provenienz keine Kontakte zu pflegen und damit diesen Staaten einen diplomatischen Paria-Status zu verleihen. Diese Strategie ist nicht aufgegangen. Amerikas moralische Überlegenheit ist während der Bush-Regentschaft geschwunden. Isolierung durch Bush ist nicht wirklich eine Strafe. Deswegen hat Außenministerin Condoleezza Rice eine neue Phase eingeleitet. Rice will unter bestimmten Bedingungen direkte Gespräche mit Teheran führen - die Nachricht ist durchaus sensationell, und hinter dem Schwenk der US-Regierung steckt mehr als taktisches Kalkül. Die Öffnung gegenüber Iran ist in den USA mit vielen innenpolitischen Risiken verbunden. Die Regierung Bush, die Teheran vor wenigen Jahren noch in die 'Achse des Bösen' einordnete, muss sich zunächst einer nationalen Schmach erinnern. Die unrühmliche Geschichte amerikanischer Iran-Politik, die in der einjährigen Geiselhaft Botschaftsangehöriger und einer missglückten Befreiungsaktion kulminierte, aber beginnt sich zu wandeln. Im Licht der gefährlichen Atompolitik Teherans ist das ein kluger Zug. Iran wird nicht mehr viele Ausreden finden, sich einem vernünftigen Dialog über seine aggressive Politik zu entziehen." (APA)