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Was gibt es in der Architektur noch zu entdecken?

Foto: AP/Gilbert
Der Respekt vor den Ausübenden dieses Berufsstandes ist groß. Die Architekturtage 2006 sollen dabei helfen, Berührungsängste über Bord zu werfen. "Architektur entdecken" lautet das erkenntnisreiche Motto am 9. und 10. Juni.

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Jedes dritte Einfamilienhaus in Österreich kommt von der Stange. Das ist eine ganz schön fette Zahl, die der Fertighausbranche gute Umsätze beschert. Und währenddessen befindet sich die Architektur nach Maß – ganz nebenbei bemerkt – im stetigen Rückgang, denn irgendwer muss ja schließlich den Buhmann abgeben. Was machen die Architekten? Sie schimpfen über die Blaue Lagune, verstecken ihr Gesicht im schwarzen Rollkragenpulli und schlagen mit Architekturfloskeln und Konzepten um sich, die keiner mehr versteht.

Tatsache ist: Egal, wie sehr sich die Architektenschaft um offene Ohren und noch offenere Herzen inmitten der Bevölkerung bemüht, sie bleiben doch die Gestalten einer abgehobenen Branche, deren Sprache niemand spricht – außer eben die Architekten selbst. Welchen Bauherrn interessieren schon "konzeptionelle Raumschichten" und "flächenbündige Leitdetails"? Wer traut sich ernsthaft, einen Fuß in ein rätselhaftes Architekturbüro zu setzen, wenn die Fahrt in die Blaue Lagune um so viel einfacher erscheint?

Ein Ohr für Architektur

Doch aufgepasst: Es gibt Abhilfe! Die Architekturstiftung Österreich und die Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten sind sich dieses Problemchens schon vor längerer Zeit bewusst geworden und haben 2002 erstmals die österreichweiten so genannten Architekturtage ins Leben gerufen, die in erster Linie dazu dienen sollen, die Hemmschwelle zur großen Welt der architektonischen Philosophiererei nicht gar so hoch erscheinen zu lassen.

Geführte Besichtigungen, Stadtrundfahrten, architektonische Spaziergänge, Vorträge, Workshops und Ateliers, in denen Besucherinnen und Besucher mit offenen Armen empfangen werden, sollen einmal mehr den Beweis erbringen, dass Architekten nicht beißen und Architektinnen nicht motzen. Mehr noch, in den meisten Architekturbüros darf man sogar cool zwischen Modellen und kaschierten Plänen herumstehen und die Architekten ins Kreuzfeuer der Alltagstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit nehmen. Ein Glas Prosecco und das obligate Salzstangerl in der Hand machen aus dem Besuch en passant gewiss ein unvergessliches Erlebnis.

Plaudern übers Bauen

Heuer gehen die Architekturtage zum dritten Mal an den Start. Unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Heinz Fischer widmet man sich am 9. und 10. Juni voll und ganz der Entdeckung des mitunter Fremden und Unbekannten. "Architektur entdecken" lautet das heurige Motto, das in allen neun Bundesländern auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen umgesetzt wird. Mit von der Partie sind außerdem Bratislava, das Grenzgebiet Ungarns und das liechtensteinische Schaan.

Was gibt es in der Architektur noch zu entdecken? "Manchmal gelingt es nicht, die Alltagsqualität von guter Architektur auch außerhalb der eingeschworenen Kreise klar zu machen", erklärt Barbara Feller von der Architekturstiftung Österreich. "Die Architekturtage sollen daher die Möglichkeit bieten, Hemmungen zu überwinden und mit Fragen an die Architekturbüros heranzutreten."

Nein, Architekten sind keine Fachchinesisch sprechenden Monster, ihre Architektur ist nicht immer nur aus Stahl und Glas. Architektur kann intelligent sein, Architektur kann wirtschaftlich sein, vor allem aber kann Architektur individuell sein. Und das ist ein Vorteil, der jedem Haus von der Stange schnurstracks davongaloppiert.

Der deutsche Architekturdenker Riklef Rambow stellt die Frage: "Warum gelingt es manchen Experten so gut, ihr Fachwissen verständlich zu vermitteln, während andere von Laien als Fachidioten empfunden werden?"

Machen Sie sich Ihr eigenes Bild, entdecken Sie die Wahrheit über Architektur. Zwei Tage bieten sich dafür an. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.6.2006)