Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nächste Woche nach fester Überzeugung von Analysten den Schlüsselzins im Euro-Raum erneut erhöhen. Diese Prognose gaben alle 60 Teilnehmer der am Mittwoch veröffentlichten Reuters-Zinsumfrag ab.

Das EZB-Ratsmitglied Nout Wellink unterstrich. "Es ist definitiv klar, dass wir die Geldpolitik straffen sollten in der nächsten Zeit." Die Inflationserwartungen gingen allmählich nach oben, und das starke Geldmengenwachstum sei ein Grund zu "großer Besorgnis" für die Währungshüter, sagte er der Agentur "Bloomberg". Neue Daten zu Inflation und Wirtschaftsklima im Euro-Raum rechtfertigen Analysten zufolge die härtere Gangart der EZB.

Der niederländische Notenbankpräsident Wellink warnte, je länger der Ölpreis hoch bleibe, um so größer sei die Gefahr von sogenannten Zweitrundeneffekten. Die EZB befürchtet, dass die Energieverteuerung zu übermäßigen Lohnsteigerungen und einem Anstieg anderer Verbraucherpreise führen wird.

Notenbankgouverneur Klaus Liebscher hatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass inzwischen auch die um den Energieeinfluss bereinigte Teuerungsrate gestiegen sei. Im April hatte diese Kernrate auf 1,6 von 1,4 Prozent angezogen bei einer Gesamtrate von 2,4 Prozent. Nach neuesten Daten von Eurostat erhöhte sich der Preisanstieg im Mai auf 2,5 Prozent. Die EZB strebt Preisstabilität mit Raten von etwas unter zwei Prozent an und hat dieses Ziel bisher fast immer verfehlt, wenn auch nur knapp.

Nach der jüngsten Reuters-Umfrage erwarten alle bis auf einen der 60 befragten Volkswirte eine Erhöhung des Leitzinses bei der nächsten EZB-Zinssitzung am 8. Juni um 25 Basispunkte auf einen Schlüsselzins von 2,75 Prozent, so wie bei den beiden vorangegangenen Zinsschritten im Dezember und März. Nur Klaus Baader von Merrill Lynch setzt auf einen großen Zinsschritt von 50 Basispunkten. Angesichts zweistelliger Wachstumsraten bei der Kreditvergabe und vielfacher Anzeichen für eine stärkere Konjunkturerholung sei zu erwarten, dass die Zentralbank ihren noch immer sehr niedrigen Leitzins schneller anheben wolle. "Es könnte besser sein, das in einem Schwung zu machen", sagte er.

<>

Die Kreditvergabe an den privaten Sektor hatte sich im April auf 11,3 Prozent in der Jahresrate erhöht und damit das schnellste Tempo seit 1989 vorgelegt. Der Chefvolkswirt der französischen Investmentbank IXIS, Patrick Artus, betrachtet dies aber nicht als Grund für die EZB, die Zinsen zu erhöhen. Die steigende Verschuldung von Haushalten und Unternehmen sei vielmehr der einzige Wachstumsmotor in der Euro-Zone. Weder der Export noch Investitionen oder Konsum im Inland gäben Impulse für die Erholung. "Unsere große Sorge ist, dass die EZB die Konjunktur abwürgt, wenn sie das Kreditwachstum dämpft."

Analysten vermuten nun, dass sich die EZB mit ihren Zinserhöhungen etwas beeilen, die Zinsen aber nicht stärker als bisher gedacht anheben wird. Im Mittel prognostizieren die Experten einen Leitzins von 3,0 Prozent bis Ende September und von 3,25 Prozent bis Ende diesen Jahres. Bisher war der Höchststand erst für das erste Quartal 2007 vorhergesagt worden. (APA/Reuters)