STANDARD: In den laufenden Gesprächen mit der Welthandelsorganisation WTO zur Liberalisierung des Welthandels wurden jetzt wieder weitere Zugeständnisse vom europäischen Agrarsektor gefordert. Wie stehen Sie dazu?
Fischer Boel: Ich sage immer wieder, dass es kein weiteres Angebot auf Kosten der Bauern geben kann. Es muss dabei Parallelität geben und die Angebote müssen ausbalanciert sein. Da sehe ich aber nichts. Es gibt kein neues Angebot der USA. Wenn wir überhaupt in das Endstadium kommen (bis Ende des Jahres muss der Deal stehen, Anm.), wo alles auf den Tisch gelegt werden muss, also auch die Sektoren Dienstleistung und NAMA (Nicht-Agrarische Produkte, Industriegüter), dann können wir auch wieder über Landwirtschaft reden. Denn wir haben noch etwas Spielraum. Nicht viel, aber doch.
STANDARD: Also keine Zustimmung zu den WTO-Verhandlungen nach bisherigem Stand?
Fischer Boel: Wenn wir jetzt zustimmen, ergibt das nur Verlierer. Denn man muss bedenken, dass wir die europäische Landwirtschaft einer straffen Reform unterziehen und Agrarsubventionen für den Export bis 2013 komplett abbauen. Gleichzeitig gibt es auf dem Agrar-Weltmarkt neue Player, wie etwa Brasilien. Deshalb müssen die einzelnen Verhandlungsbereiche zusammengepackt werden. Wenn wir jedoch ebenfalls Marktzugang zugesichert bekommen, dann haben wir auch Chancen. Es gibt eine rapide wachsende Mittelschicht in Schwellenländern, dort sind Märkte für Lebensmittel mit hoher Qualität und Standards. Hohe veterinärmedizinische Standards, Rückverfolgbarkeit bei den Produkten, das sind enorme Vorteile.
STANDARD: Also Export von verarbeiteten Produkten und Rückzug aus Massenwaren?
Fischer Boel: Ja. Deswegen muss es im Agrarbereich auch zu mehr Forschung, Entwicklung und Ausbildung kommen. Das haben wir jetzt hier in Krems besprochen. Wir müssen die verschiedenen nationalen Ansätze bündeln. Es gibt viele Bereiche, in die die Landwirtschaft hineinspielt: Bioenergie und Pharmazie etwa. Da geht es auch um hochwertige Nischenprodukte.
STANDARD: Auch die Frage der Gentechnik samt Koexistenz in Europa ist im Rahmen der WTO zu sehen. Wie kann ein europäischer Weg aussehen, der WTO-kompatibel ist?
Fischer Boel: Es geht nicht, dass wir die Produkte grundsätzlich diskriminieren. Es gibt einige Mitglieder, die wollen europaweite Regulierungen. Aber man kann dieses Problem so nicht lösen, dazu sind die Mitgliedstaaten, die Regionen zu unterschiedlich. Aber es gibt bereits Netzwerke und darauf wird sich Koexistenz stützen.
STANDARD: Derzeit werden die Schwellenwerte für Saatgut diskutiert. Sie treten für Werte von 0,5 bzw. 0,3 Prozent je nach Saatgut ein. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass man bei der technischen Nachweisgrenze von 0,1 Prozent ansetzen soll, weil alles andere eine schleichende Kontaminierung ist.
Fischer Boel: Schwellenwerte von 0,1 Prozent bzw. 0,0 Prozent kämen einfach zu teuer. Der Konsument würde solche Produkte nicht zahlen wollen. Niemand will Kontaminierung mit Gentechnik, aber die jetzt diskutierten Schwellenwerte bei Saatgut sind vernünftig und zu tragbaren Kosten machbar.
STANDARD: Die EU hat derzeit enorme Überschüsse bei Wein. Was wird da getan?
Fischer Boel: Beim Wein möchte ich, dass es bereits bis Sommer 2007 Regeln für Flächenstilllegungen gibt. Denn die Situation ist untragbar. Wir verwenden jährlich eine halbe Milliarde Euro für die Destillierung von Überschusswein in Industriealkohol. Und für Marketing haben wir nur 1,4 Mio. Euro. Es wird eine breite Reform geben müssen von der allerdings Länder, die einen ausbalancierten Markt haben, etwa Österreich, nicht betroffen sind.
STANDARD: Wird eine solche neue Weinordnung auch Regelungen über junge Herstellungstechnologien wie die Verwendung von Eichenchips beinhalten?
Fischer Boel: (lange Pause) Ich kann noch keine Details sagen, diese wird es bis Sommer geben.
STANDARD: In Österreich hat vor Kurzem wieder eine Diskussion über die Offenlegung von Agrarförderungen begonnen. Wie stehen Sie dazu?