Die Wirtschaftsexperten zeigen sich ziemlich uneinig darüber, ob ein integrierter Öl-Gas-Strom-Konzern, wie die geplante OMV- Verbund-AG, wirtschaftlich und strukturell Sinn macht. Das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass die Anleger auf dem Kapitalmarkt über den Deal ein vernichtendes Urteil gefällt haben. Es ist also wohl davon auszugehen, dass dem Projekt die industrielle Logik fehlt. Aber mit diesem Thema will ich mich hier gar nicht weiter beschäftigen – mich interessiert vielmehr die Grundsatzfrage nach der Notwendigkeit öffentlichen Mehrheitseigentums an Energieversorgungsunternehmen.

"Versorgungssicherheit" und "Schutz des heimischen Wassers" lauten die zwei meistgenannten Gründe dafür. – Zum ersten: Die Versorgungssicherheit ist in Österreich derzeit am meisten durch die Lücken im Übertragungsnetz gefährdet. Der Verbundtochter APG gelingt es seit vielen Jahren nicht, den dringend notwendigen Lückenschluss im 380-kV-Netz, insbesondere in der Steiermark, durchzusetzen – trotz 51-prozentiger Mehrheit des Bundes: Die dortigen Lokalpolitiker haben jahrelang auf der Seite der Verhinderer die Bevölkerung vor der Leitung "geschützt" und kriegen erst jetzt (hauptsächlich unter dem Druck von Abwanderungsdrohungen einiger Betriebe) langsam die Kurve in Richtung Zustimmung.

Zum zweiten: Die Nutzungsrechte der Energieversorger am heimischen Wasser beschränken sich in der Regel auf die Stromerzeugung und sind zeitlich befristet. Im Gegensatz zu jedem Getränkehersteller (und das ist nicht zu kritisieren) verkaufen die Energieversorger keinen einzigen Liter Wasser ins Ausland. Hingegen verkauft die Verbundgesellschaft heute bereits ca. 60 % jenes Stroms, den sie aus österreichischem Wasser gewinnt (und das nach der energetischen Nutzung mehrheitlich ins Ausland weiter rinnt!), an ausländische Kunden, ohne dass irgend ein Gesetz ihr das verbieten kann.

Die meisten österreichischen Wasserkraftwerke befinden sich im Besitz der Verbundtochter AHP– ohne dass diese vor einem allfälligen Verkauf durch ein Gesetz geschützt wären. Trotzdem hat bis heute kein Mensch in diesen Unternehmen an den Verkauf auch nur eines Kraftwerkes gedacht. Und wenn man sich angesichts der geplanten Übernahme der Verbundgesellschaft durch die OMV trotzdem Sorgen macht: Ein Bundesanteil von 25 % plus einer Aktie an der Verbundgesellschaft und eine gesetzliche Bestimmung, wonach sämtliche Verkäufe von Anteilen an der AHP (oder einzelner Kraftwerke der AHP) oder der APG (oder von Teilen des Stromnetzes der APG) einer Dreiviertelmehrheit bedürfen – wie dies von Wirtschaftsminister Bartenstein vorgeschlagen wurde – wären "Gürtel und Hosenträger" für die Nutzung der heimischen Wasserkraft und das österreichische Stromnetz zugleich.

Die populistische Forderung nach einer verfassungsgesetzlich abgesicherten 51%- Mehrheit der öffentlichen Hände am gesamten OMV- Verbund-Konzern ist jedoch gleichermaßen unrealistisch, unsinnig und unnötig.

Zu einer solchen "Re-Verstaatlichung" wird es nie und nimmer meine Zustimmung im Nationalrat geben.

Vielmehr sollten wir im selben Atemzug, in welchem wir die von Minister Bartenstein vorgeschlagene Lösung für die Verbundgesellschaft beschließen, auf bundesgesetzlicher Ebene jegliche Regelung von Mindesteigentumsanteilen der Länder an "ihren" Energieversorgern fallen lassen.

In der Vergangenheit haben die Länder in unterschiedlicher Höhe Teile der Energieversorger auf den Aktienmarkt geworfen. Nach dem Fall der bundesgesetzlichen Bestimmungen bleibt es der politischen Führung jedes Bundeslandes überlassen, über weitere Verkäufe zu entscheiden.

Den Schutz des Bundes vor eigener Dummheit brauchen wohl nur jene, die beispielsweise einem ausländischen Kaufinteressenten eine unwiderrufliche Call-Option für den Fall eingeräumt haben, dass die gesetzliche Schutzregelung fällt. (Karlheinz Kopf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.5.2006)