Möglich, dass solche Gerüche, Farben, Klänge Jugendlichen von heute fremd sind; die Gefühle, um die es in dieser merkwürdigen Woche im Leben eines zwölfjährigen Heimkinds geht, sind Verlassenheit, Eifersucht, verletzter Stolz, Wut, Hass, Sehnsucht nach Zärtlichkeit und gleichzeitig ängstliche Abwehr jeder Zärtlichkeit. Um das tiefe Misstrauen eines verlassenen Kindes geht es in dem Roman; ums Sich-behaupten in einer Welt, die nicht freundlich ist zu Kindern, in der man kämpfen muss, um nicht unterzugehen, und mit Zuneigung oder Hoffnung geizig haushält, damit man am Ende nicht reinfällt. Weshalb Halinka auch Distanz hält zu Renate, die nachts im Schlafsaal so oft vor sich hinweint. Denn "was nützt eine Freundin, die nicht stark ist" im Heim, wo nur der Starke Recht hat. O ja, sie kennt sich aus, diese Zwölfjährige, und sie ist so wenig gut wie ihre Welt.
Authentizität rühmten die Kritiker an den Romanen Presslers, mit mehr als 30 Büchern eine der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Authentisch ist sie, weil sie Fantasie und Einfühlungsvermögen in die komplizierte Seelenlage von Kindern hat.
Es sind Geschichten von Außenseitern wie Halinka, die ins Heim kommt wegen "Verwahrlosung". Verwahrlosung ist ein Wort, das sie hasst und dem sie fremde Wunderworte wie Orchidee oder karminrot entgegensetzt und dann enttäuscht feststellt, dass Orchideen nicht rot, sondern weiß sind.