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Hält am Anspruch auf den Premiersposten fest: Julia Timoschenko am Donnerstag bei der Konstituierung des Parlaments in Kiew.

Foto: REUTERS/Gleb Garanich
Kiew/Moskau - In Kiew hat sich am Donnerstag das neu gewählte Parlament konstituiert. Unterdessen dreht sich der Regierungsbildungsprozess zwei Monate nach den Wahlen weiter im Kreis.

Und das geht ungefähr so: In regelmäßigen Abständen erklärt Julia Timoschenko, deren Block BJuT mit 22,3 Prozent unerwartet auf Platz zwei aufgestiegen war, dass sie sich mit der auf 13,9 Prozent abgesackten Partei "Unsere Ukraina" (UU) ihres einstigen Weggefährten, des Staatspräsidenten Viktor Juschtschenko, sowie den Sozialisten (5,7 Prozent) auf eine "orange Koalition" geeinigt habe und sie Premier werde. Letzteres aber ist der Albtraum des UU-Wirtschaftsflügels, weshalb die Partei am nächsten Tag die Einigung dementiert. Das wiederum provoziert Timoschenko zum Vorwurf, UU würde heimlich mit dem Wahlsieger, der blaufärbigen "Partei der Regionen" (PR, 32 Prozent) aus dem Osten, verhandeln. Juschtschenko erklärt daraufhin, es gebe keine Alternative zur orangen Koalition.

Vor wenigen Tagen sah wirklich alles nach Einigung aus. Premier Juri Jechanurow (UU) und einige Kabinettsmitglieder reichten ihren Rücktritt ein, und Juschtschenko bezeichnete erstmals öffentlich eine Ernennung Timoschenkos zum Premier als möglich. Weil diese aber die Postenverteilung als beschlossen ausgab, verkündete UU den Austritt aus den Gesprächen, kehrte aber auf Vermittlung Juschtschenkos an den Verhandlungstisch zurück.

Juschtschenkos Intervention sollte verhindern, dass ein totaler Bruch im orangen Lager wenige Tage vor Konstituierung des Parlaments nicht nur eine Mehrheitsbildung verunmöglicht, sondern schlimmstenfalls auch zur Auflösung des Parlaments führt. Laut Verfassung muss es zwei Monate nach Konstituierung des Parlaments eine Regierung geben.

Bemerkenswert bleibt das Spiel der UU mit den Blauen rund um Juschtschenkos einstigen Präsidentschaftsrivalen Viktor Janukowitsch. Weil ein solcher Flirt Juschtschenko zum Verräter an den orangen Idealen stempeln würde, wurden die Gespräche hinter den Kulissen nie eingestanden. Dieser Tage aber gab die PR-Führung diese Gespräche zu.

Fehlt nur noch der günstige Anlass, dass UU ohne das Risiko eines politischen Selbstmordes mit den Blauen zusammengeht. Gut möglich, dass man dafür zunächst einmal Timoschenko die Regierungsbildung überlässt, in der Hoffnung, dass sie angesichts der schwierigen ökonomischen Situation bald selbst scheitert. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.05. 2006)