Absentee:
Schmotime
(V2/Edel)

Foto:V2/Edel
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... das Kellerorgan von Dan Michaelson besorgt den Rest zum Glück.


"Die meisten Stücke beginne ich als Country-Songs zu schreiben. Das ist das, was ich am besten kann. Aber die Band lässt nicht zu, dass es Country-Songs werden. Würde ich alleine Musik machen, ich wäre Country." Der so spricht, heißt Dan Michaelson, ist Brite und klingt, als wäre er Träger des Lee-Hazlewood-Verdienstordens erster Klasse. Das bedeutet, der Mann verfügt über eine Stimme, die die Bassmembran des Lautsprechers erschaudern lässt. Michaelson ist Sänger von Absentee, einer Band, die nach dem Minialbum Donkey Stock nun ihren ersten richtigen Longplayer nachlegt: Schmotime.

Donkey Stock wurde in England vom NME groß abgefeiert und in seinem Jahresrückblick 2005 auf Platz 26 gewählt. Die gute Nachricht: Die Platte ist trotzdem lässig. Die noch bessere: Schmotime ist auch vielfältiger. Vier Leute hat Michaelson mittlerweile um sich. Einer musste ersetzt werden. Lawrence Earlitzer - pardon: Reverend Lawrence Earlitzer sprang ein, als ein gewisser Romeo Stodart sich empfahl, weil seine andere Band gerade den so genannten Durchbruch schaffte: Die Rede ist von The Magic Numbers. Jenem haarigen US-britischen Quartett, das im Vorjahr mit seinem titellosen Debütalbum voller prächtiger Popsongs im Zeichen hippiesker Sixties-Harmonien tatsächlich raketisch abhob und das wegen seiner pummeligen Haarigkeit gerne mit den Mamas and the Papas verglichen wurde.

Noch eine gute Nachricht: Der Abgang Stodarts bedeutete kein böses Blut. Vielmehr luden die Magic Numbers Absentee ein, mit ihnen zu touren, was dem Quintett ordentlich Öffentlichkeit und Zuspruch bescherte. Musikalisch sind Absentee den Magic Numbers verwandt. Schmotime besticht mit elf astreinen Popsongs - na gut, zehn. Bei einer Nummer setzte Michaelson seine Vorliebe durch, und zumindest die erste Hälfte von Truth Is Stranger Than Fishin' ist tatsächlich Country. Im Vergleich zu den teilweise schon sehr süßlichen Stücken der Magic Numbers ist Michaelson aber ein großer Zyniker vor dem Herrn, und sein furztrockener Bariton schafft einen lakonischen Abstand zu den Sujets seiner Betrachtungen. Kann man auch Coolness nennen.

Mit "All of my live I have been known for bringing home more troubles than I've solved" eröffnet er Schmotime - wirkt dabei aber nicht, als würde ihm dieser Umstand großes Kopfweh bereiten. Vielmehr resultiert daraus im zweiten Stück die Einsicht: "Darling, we should never have children." Bei einem Typen wie ihm sei es besser, wenn nicht. Den Macho-Verdacht entkräftet allerdings ein Chor von Kindern, der im Hintergrund "I want them! I want them" singt. Es könnte aber auch "I won't have! I won't have!" heißen. Andernorts bekennt er: "I'm an animal" und freut sich über "but you're an animal too".

"Ironie", meint Michaelson in einem Interview, sei für ihn "ein Instrument, das den banalen Alltag ein wenig erträglicher" mache. Trotzdem blitzen immer wieder Phrasierungen in seinem Gesang auf, die seine Ironie ein wenig vermenschlichen. Bläser erheben dazu ihre Hörner und verbreiten ein wenig Erhabenheit, stellenweise meint man gar Traurigkeit in Michaelsons Tonfall zu vernehmen. Als "Gottes Rülpser" wurde seine Stimme bereits bezeichnet, die Assoziation "Werthers Echte" kennt die Welt im Zusammenhang damit auch schon. Das klingt nicht nur ungerecht, es unterschlägt vor allem die Tatsache, dass Michaelson ein sehr einnehmender Sänger ist, der den schwarzen Humor eines lässigen Insel-Pop mit den Einflüssen amerikanischer Rockmusik sehr eloquent und originell vereint. Damit schießt er ein paar potenzielle Hits aus der Hüfte, die eine sportlich gespielte Gitarre ziemlich scharf klingen lässt. Guter Mann, tolles Album. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.5.2006)