Zwischen Skurrilität und Perfektion: Christian Domschitz ist neu im "Schwarzen Kameel"

Foto: G. Wasserbauer

Foto: Gerhard Wasserbauer

Foto: G. Wasserbauer

Seit bald einmal 390 Jahren gibt es das "Schwarze Kameel" nun bereits - und das ist beileibe ein ehrwürdiges Alter für ein Delikatessengeschäft mit angeschlossenem Restaurant. Das erzwienerische Haus in der Bognergasse 5 mit den stets lautstarken Gästen an den Stehpulten wird demnächst ziemliche Veränderungen durchmachen: Das Hinterzimmer zur Naglergasse, der so genannte Clubraum, welcher als Ausweichquartier für zu spät gekommene Restaurantgäste galt, wird aufgewertet. Das große Fenster zur Naglergasse, das den Einblick in die Küche bislang milchglasig verwehrte, wird durchlässig, im doppelten Sinn: Vielleicht darf man hier, beim Lieferanteneingang, auch bald auf einen luxuriösen Imbiss am Küchentisch Platz nehmen - die Pläne müssen noch dem Denkmalamt vorgelegt werden.

 

Ein Haus weiter, auf Bognergasse 7, hat die Eigentümer-Familie Friese einen winzigen, ehemaligen Frisiersalon erworben, in dem es ab Herbst süße Köstlichkeiten und große Patisserie der zeitgemäßen, französischen Art geben soll: fruchtige Makronen, scharf designte Törtchen - und striktes Strudelverbot. Auf so etwas hat das Süßspeisenmuseum Wien schon viel zu lange warten müssen.

Die wohl wichtigste Neuerung ist freilich schon passiert: Mit Christian Domschitz steht seit ein paar Wochen die Idealbesetzung für den Küchenchef dieses traditionsreichsten und schönsten der klassischen Wiener Restaurants am Herd.

In den Diensten Mörwalds

Nach fünf Jahren im Hotel Ambassador, in den Diensten Toni Mörwalds, wo Domschitz vom Hotelfrühstück über den Room-Service bis zur Befeuerung des Restaurants alles zu verantworten hatte, ist er nunmehr in ein vergleichsweise intimes, familiär geführtes Restaurant zurückgekehrt, das in diesem Fall auch noch jahrhunderteweise Tradition zu verwalten hat. Zur Erinnerung: Den ersten Michelin-Stern erkochte Domschitz einst für das boudoireske Restaurant Bauer in der Sonnenfelsgasse.

Im Kameel darf er sich wieder jener Spielart der Wiener Küche widmen, in der er brilliert: der subtilen Veredlung ihrer Klassiker nämlich. Denn die werden hier mit Hingabe gepflegt und in der ganzen Pracht ihrer Aura serviert. Wenn sich freilich ein Christian Domschitz in aller Zurückhaltung über das Kalbsrahmgulasch mit Nockerln beugt, dann kann man sich auf ein Gericht einstellen, in dem Konsistenz und Schmelz des Fleisches ideal mit der papriziösen Dichte des Saftes korrespondieren - Perfektion in einem tiefen Teller.

Die durchaus originellen, oft aber reichlich manierierten Kreationen der Mörwald-Zeit (Zwiebelrostbraten vom Thunfisch, Apfelstrudel von der Gansleber . . .) stehen derweil einmal nicht auf der Karte, der Domschitz-Klassiker, das Hummerkrautfleisch, ebenso wenig. "Für Hardcore-Fans habe ich aber immer ein, zwei Portionen in petto", erklärt er.

Wer sich darauf kaprizieren will, könnte freilich grandiose Fischgerichte versäumen. Der Seesaibling von Gut Dornau etwa ist mit ziemlicher Sicherheit der beste Zuchtfisch von überhaupt - wenn er tatsächlich frisch aus den vom kalten Wasser der Piesting gespeisten Teichen kommt (und nicht aus dem stinkigen Aquarium irgendeines Fischhändlers).

Aber das steht zumindest im Kameel außer Frage. Domschitz brät ihn mit ganz wenig Sesam auf der Hautseite, sodass er innen glasig bleibt, dazu gibt es schlicht und einfach Spargelragout - knackige Spitzen vom Grünen und Weißen, die von dem einen oder anderen Tupfer dottergelber Hollandaise akzentuiert werden.

Ein Gang des aktuellen Menüs aber ist nichts weniger als Ehrfurcht gebietend: Dem Maibockrücken mit Morcheln und Erbsenpüree hat Domschitz die Essenz vom Frühling selbst eingehext, da jubelt einem das Herz und man ist ganz baff vor Freude.

Man kann sich nur wünschen, dass Domschitz sich weiter dem Konzentrieren derart großer Gefühle widmet und die kreative Lust am Aufmascherln der Austro-Küche auf zweifellos hohem Niveau nicht mit ihm durchgeht. Derzeit nämlich kocht der Meister auf einem Niveau, wie man es in der Stadt seit langem nicht mehr erleben durfte. (Severin Corti/Der Standard/rondo/26/05/2006)