In einer aktuellen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Haftung der Republik Österreich für Fehler der Bankenaufsicht geklärt (1 Ob 257/ 05h vom 7. 3. 2006). Die Höchstrichter bestätigten dabei, dass der Bund auch für Schäden haften muss, die auf Versäumnisse der Finanzmarktaufsicht (FMA) zurückgehen - genauso wie er in früheren Zeiten für Verfehlungen der Bankenaufsicht im Finanzministerium geradestehen musste.

Seit April 2002 wird die Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht von der FMA, einer eigens dafür eingerichteten Anstalt öffentlichen Rechts, ausgeübt. Doch bis zur Änderung des Finanzmarktaufsichts-Behördengesetzes (FMABG) durch die Novelle 2005 (BGBl I 2005/33) war es nicht eindeutig geregelt, ob der Bund für die von der Finanzmarktaufsicht zugefügten Schäden nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes einstehen muss. Diese unklare Gesetzeslage sei für Unternehmen und Konsumenten nachteilig und verfassungsrechtlich bedenklich, hieß es dazu in der damaligen Regierungsvorlage.

Der vom Obersten Gerichtshof entschiedene Sachverhalt fiel genau in die Zeit zwischen der FMA-Gründung und der FMBAG-Novelle. Ein durch den Konkurs des Wertpapier-Dienstleistungsunternehmens Financial Management Service (FMS) Ende 2003 geschädigter Anleger klagte die Republik auf Schadenersatz. Der Vorwurf lautete, die FMA hätte bei einer Überprüfung des Unternehmens übersehen, dass es über Jahre ohne Konzession illegal Kundengelder vereinnahmt hatte. Im Konkurs der Gesellschaft waren die Gelder unauffindbar.

FMS-Chefs vor Gericht

Die ehemaligen FMS-Chefs stehen ab Dienstag in Wien vor Gericht. In der Anklageschrift ist von jahrelangen gewerbsmäßigen Betrug und Unterschlagung die Rede.

Im Schadenersatzprozess vertraten die Vertreter der Republik die Ansicht, für Schäden aufgrund mangelhafter Prüfung hätte haftungsrechtlich die FMA selbst einzustehen. Doch diese verfügt über so geringe Vermögenswerte, dass dies dem Geschädigten kaum von Nutzen wäre.

Interessanterweise hatte der Gesetzgeber bei der Novelle noch versucht, die zivilrechtliche Haftung der Republik für Anlegerschäden einzuschränken. Im Entwurf des Finanzministeriums war von einer Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit die Rede. Darüber hinaus sollte das Gesetz im Verfassungsrang beschlossen werden, um eine nachträgliche Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof auszuschließen. Der Entwurf scheiterte letztlich am massiven Widerstand des Justizministeriums und musste geändert werden. Seither ist die uneingeschränkte Haftung des Bundes für Verfehlungen der FMA ausdrücklich gesetzlich verankert.

Nach der jetzigen OGH-Entscheidung gilt diese Haftung auch für Sachverhalte, die sich vor der Novellierung des FMABG zugetragen haben. Für geschädigte Anleger oder Bankkunden bedeutet dies die zivilrechtlich gesicherte Möglichkeit, einen Schaden im Zusammenhang mit Insolvenzen von Banken oder Wertpapierdienstleistern über die gesetzliche Einlagensicherung von 20.000 Euro hinaus direkt von der Republik ersetzt zu bekommen. Das könnte theoretisch auch im Zusammenhang mit den laufenden Bankenskandalen wie Bawag P.S.K. und Hypo Alpe-Adria von Interesse sein.

Vorsicht geboten

Trotzdem ist bei einem Prozess gegen die Republik Vorsicht geboten. Denn eine erfolgreiche Klagsführung setzt stets Verschulden voraus. Nicht jeder wirtschaftliche Zusammenbruch eines Unternehmens bedeutet per se, dass tatsächlich eine Verfehlung der Aufsichtsbehörde vorgelegen sein muss oder - was oft viel schwerer ist - dass diese im Prozess bewiesen werden kann. Auch im Fall der FMS wurde bisher nur entschieden, gegen wen die Klage gerichtet werden kann. Die Entscheidung in der Sache selbst steht noch aus. (Bernhard Eder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.5.2006)