Ein Traum ist für Milo Djukanovic in Erfüllung gegangen. Er hat sich einen Ehrenplatz in den montenegrinischen Geschichtsbüchern gesichert. Sein Name wird neben den Nationalhelden Petar Petrovic Njegos (1813-1851) und Marko Miljanov (1833-1901) stehen, auf die er sich so gerne beruft. Er hat den historischen Fehler von vor fast einem Jahrhundert wieder gut gemacht und die Unabhängigkeit Montenegros wieder erkämpft. Majestätisch lässt der ungekrönte König der Schwarzen Berge die Siegesehrung über sich ergehen.

Kein Wunder, dass sich "Milos" Denken in historischen Bahnen bewegt. Denn abwechselnd als Ministerpräsident oder Präsident herrscht er souverän seit fast siebzehn Jahren in Montenegro. Einen anderen Job hatte er gar nicht. Vom Jungkommunisten und Milosevic-Anhänger, der sich für eine Föderation mit Serbien einsetzte und Montenegro zu Beginn der 90er-Jahre in den Krieg führte, schaffte er den Wandel zum Politiker europäischen Formats und Befürworter der Selbständigkeit.

Im Gegensatz zu seinen Kontrahenten in Serbien und Montenegro, die vom Nationalismus nicht loskommen, hat der nun 44-Jährige bewundernswerte Lernfähigkeit gezeigt. Zwar spricht er gar keine Fremdsprachen, doch was immer er sagt, ist politisch korrekt und kommt gut in Brüssel und Washington an. Djukanovic hat sich bei Kroatien für Kriegsverbrechen und die Angriffe auf Dubrovnik entschuldigt, seine Regierung zahlt für den angerichteten Kriegsschaden. Er praktiziert tatsächlich die Politik einer multiethnischen Gesellschaft. Im Gegensatz zu anderen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien, die auf der Welle des Nationalismus zur Unabhängigkeit gekommen sind, haben in Montenegro nationale Minderheiten massiv das Projekt eines souveränen, bürgerlichen Staates unterstützt.

Vom etwas unseriösen Image kann sich der fast zwei Meter große, stets elegant gekleidete Ökonom aber nicht völlig befreien. Zigarettenschmuggel und Kontakte mit italienischen Mafiosi wurden ihm nachgesagt. Djukanovics Gegner behaupten, in Montenegro herrsche das organisierte Verbrechen und Vetternwirtschaft. Während seine Hoheit Djukanovic und Co in teuren Luxusschlitten durch das kleine Land rasen und angeblich Prozente von allen Geschäften nehmen, würden Armut und Klassenunterschiede immer größer. Djukanovics "Demokratische Partei der Sozialisten" hat nichts Sozialistisches an sich.

Geschickt hat es Djukanovic geschafft, Freund und Feind im Kampf für die Unabhängigkeit Montenegros zu vereinigen. Doch viele wollen nun in dem selbstständigen Staat endlich mit ihm abrechnen. Trotz des historischen Erfolgs steht ihm ein heftiger Machtkampf bei den Parlamentswahlen im Herbst bevor. (Andrej Ivanji/DER STANDARD, Printausgabe, 23.5.2006)