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Liebscher: Österreich hat in besonderer Weise von der Globalisierung im Allgemeinen und der Ostöffnung im Besonderen profitiert.

Foto: AP/Hans Punz
Wien - "Die Globalisierung ist ein vielschichtiger, aber insgesamt begrüßenswerter Prozess, von dem zahlreiche positive Impulse ausgehen und in Summe - für Österreich, Europa und die Welt - Wohlstandszuwächse mit sich bringt", sagte OeNB-Gouverneur Klaus Liebscher am Montag bei der Eröffnung der 34. Volkswirtschaftlichen Tagung. Die Tagung, die am Montag und Dienstag in Wien stattfindet, steht unter dem Thema "Globalisierung: Chancen und Herausforderungen für die Welt, Europa und Österreich".

Globalisierung sei zu einem allgegenwärtigen Thema geworden, das unter verschiedenen, bei weitem nicht nur ökonomischen Blickwinkeln betrachtet werde. Gerade auf Grund dieser breiten Aufmerksamkeit sollte man sich mit dem Thema Globalisierung weiter auseinander setzen, so Liebscher.

Erfolgsbilanz für Österreich

Österreich habe in besonderer Weise von der Globalisierung im Allgemeinen und der Ostöffnung im Besonderen profitiert. In Anbetracht dieser Erfolgsbilanz sei es dennoch erstaunlich, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der österreichischen Bevölkerung der Globalisierung immer noch mit großer Skepsis begegnet. Bemerkenswert sei dabei auch, dass die Sichtweise breiter Teile der Öffentlichkeit und Sichtweise der "Fachwelt" auseinander klafften. Laut einer jüngeren europaweiten Umfrage sei ein Drittel gegenüber der Globalisierung negativ gestimmt. "Hier scheint sich also eine Kluft zwischen 'Globo-Phorie' und 'Globo-Phobie' aufzutun", so Liebscher. Einer der Gründe für die Vorbehalte der Menschen sieht Liebscher in der unterschiedlichen zeitlichen, personellen Verteilung der Globalisierungsgewinne. Die immensen Vorteile aus dem Abbau von Handelsbeschränkungen würden oft erst mittel- und langfristig deutlich. Kurzfristig könne es zu Problemen kommen, die mit den notwendigen Strukturanpassungen zu tun hätten. Während Konsumenten unmittelbar von niedrigeren Importpreisen profitierten, seien Produzenten in unterschiedlichem Ausmaß an den Globalisierungsgewinnen beteiligt. Am stärksten gefordert, sich neu orientierten und zu qualifizieren, seien die in den schrumpfenden Sektoren Beschäftigten.

Da die gesamte Gesellschaft von der Globalisierung profitiert, scheint die Unterstützung und gegebenenfalls Kompensation der Verlierer aus Effienz- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten zu sein, sagte Liebscher. Besondere Bedeutung komme dabei dem Bildungssystem zu.

Stabiles Umfeld als Voraussetzung

Globalisierung und Liberalisierung seien zwar primär realwirtschaftliche Prozesse, was aber nicht bedeute, dass nicht auch die Geldpolitik der Notenbanken von diesen Vorgängen betroffen seien. Ein makroökonomisch stabiles Umfeld sei eine wesentliche Voraussetzung, um die Vorzüge einer dynamischen Wirtschaft voll auszuschöpfen und Strukturanpassungen zu erleichtern.

Ungleichgewichte und Risiken

Rodrigo de Rato, geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) wies in seinen Ausführungen auf die durch die Globalisierung entstandenen Risiken hin. Es seien große wirtschaftliche Ungleichgewichte entstanden, was sich zum Beispiel an den Rekorddefiziten der USA zeige, den gleichzeitig Überschusse in exportierenden Ländern wie Russland, Saudiarabien, Japan oder auch auch China gegenüberstehen. Dieser Zustand wäre ohne globale Finanzmärkte nicht möglich gewesen. Europa sei von den Ungleichgewichten zwar nur in geringem Ausmaß betroffen, diese Ruhe könnte aber trügerisch sein, warnte Rato. Würden zum Beispiel Investoren ihr Geld aus den USA abziehen und dadurch den Dollar zu Fall bringen, so hätte dies enorme Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Europa habe eine Rolle dabei, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte auszugleichen. Um den Problemen, die sich aus der Globalisierung ergeben, in Zukunft besser begegnen zu können, seien Reformen auf Arbeitsmärkten, Finanzmärkten und soziale Reformen notwendig.

"Globalisierung findet statt"

Nicht die Globalisierung, sondern die Provinzialisierung stelle die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung dar, sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. "Globalisierung findet statt, ob wir es wollen oder nicht", so Schüssel. Dies könne sowohl als Chance als auch Bedrohung gesehen werden.

Europa als Partner

"Ich glaube, dass wir durchaus in Österreich ein gutes Beispiel dafür sind, dass wir uns vor der Internationalisierung nicht fürchten müssen", sagte Schüssel. Laut einer Studie hätten in Österreich doppelt so viele Betriebe durch Internationalisierung Beschäftigung aufgebaut als reduziert. Österreich habe seine Stärken, das seien das Wissen und der Fleiß der Bevölkerung. Österreich habe auch viele Menschen integriert und sei davon bereichert worden. "Wir brauchen davor keine Angst zu haben", meinte der Bundeskanzler. Die Rolle Europas als globaler Player sein in den letzten Jahren stärker geworden, Europa sei in ein ganz dichtes Netz von internationalen Verträgen hineinverwoben. Europa sei ein zunehmend ernstzunehmender und ernstgenommener Partner geworden. Die Welt sei an der Rolle Europas interessiert. Europa sei ein wichtiger Handelspartner, politischer Ansprechpartner und Geber von Entwicklungszusammenarbeit. Man habe ausgerechnet, dass an Europa eine bis 1,5 Milliarden Menschen dranhängen würden.

Aber Globalisierung bringe nicht nur Segen, sondern bedeute auch Anpassungsbedarf, hob Schüssel weiter hervor. Die hervorgerufenen Änderungen blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Arbeitswelt. So hätte sich etwa die wirtschaftliche Dynamik erhöht, es hätten sich Preisvorteile ergeben. Auf der anderen Seite gebe es eine zu niedrige Gesamtbeschäftigung, eine Zunahme atypischer Beschäftigung und den Niedergang ganzer Wirtschaftssektoren wegen der verstärkten Konkurrenz. Durch die zunehmende Vernetzung mit ärmeren Ländern seien auf der anderen Seite wiederum hunderte Millionen Menschen der absoluten Armut entgangen.

Investitionen in Bildung und Forschung

Um den negativen Auswirkungen der Globalisierung auf Europa zu begegnen, habe die Union wichtige Weichenstellungen vorgenommen, indem mehr in Bildung und Forschung investiert werden solle. Der überwiegende Teil dieser Investitionen müsse aber aus der Privatwirtschaft kommen.

Europas Antwort auf die Globalisierung könne nur heißen: mehr in Qualität zu investieren, alles zu tun, um den Wettbewerbsvorteil über Wissen, Bildung und Forschung auch wirklich halten zu können, so der Bundeskanzler. (APA)