Die Frauen aus dem Dorf Saree, Provinz Aceh, wählen die Vorsitzenden der im Dezember 2005 gegründeten Frauengruppe "Kembang Seroja".
Foto: CARE/Melanie Brooks
Eine der Frauen bei der Handarbeit - die Frauen in den Dörfern starten eigene Initiativen, um Geld für sich und ihre Familien zu verdienen oder um sich mit den anderen über Gemeinschaftsanliegen oder persönliche Probleme auszutauschen.
Foto: CARE/Melanie Brooks
Die "Kembang Seroja"-Frauen mit ihren Kindern beim Gruppenfoto am Tag der Gründung - ganz rechts mit Programmleiterin Joanne Dessureault.
Foto: CARE/Melanie Brooks
Ein kleines Mädchen beim Zeichnen und Malen vergangenen Sommer. Künstlerische und sportliche Aktivitäten sind Teil des CARE-Therapie-Programmes und sollen den Kindern helfen, die durch den Tsunami ausgelösten Traumata zu überwinden.
Foto: CARE
26. Dezember 2004. Eine der größten Naturkatastrophen der Geschichte sucht die Küste Indonesiens heim: 130.000 Menschen sterben alleine dort in den Fluten des Tsunami, 500.000 verlieren ihr Zuhause, ihre Familien, ihre Lebensgrundlage.

CARE ist unter den ersten Organisationen, die in der Provinz Aceh hilft: mit Nahrung, mit sauberem Wasser, mit Wiederaufbauprojekten. Manche Überlebende können nach Hause zurückkehren, um ihre Häuser wieder aufzubauen, viele jedoch müssen ein neues Leben in neu errichteten Dörfern, oft weit weg von zuhause, beginnen.

Wiederaufbau

Während das Bauteam von CARE weiter am Aufbau der Häuser arbeitet, versucht ein psychosoziales Team, den Familien zu helfen, durch berufliche Fortbildung, Gemeinschaftsfeste, Sport und kulturelle Angebote die neu entstandenen Gemeinschaften zu festigen und die Menschen seelisch wieder aufzubauen. "Die Normalität in der Region ist nach der Katastrophe ausgeschalten", sagt Nothilfe-Koordinator Reinhard Trink von CARE Österreich, die das Programm gemeinsam mit Nachbar in Not finanziert. "Unsere MitarbeiterInnen versuchen, das psychische und soziale Wohlbefinden der Menschen wiederherzustellen und ihnen Wege zu zeigen, wie sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen können." Psychotherapie im klassischen Sinne werde in dieser Region kaum angewandt, da es nicht in den religiös-kulturellen Kontext der Menschen passt. Seelische Wunden heilen hier am besten, wenn sie mit anderen geteilt werden. "Wir versuchen, die Community Leaders darauf zu sensibilisieren, Menschen mit Traumata in der Gemeinschaft zu erkennen und dafür zu sorgen, dass sie Hilfe bekommen", erklärt Trink.

Die CARE-MitarbeiterInnen helfen den Menschen, neue Fähigkeiten zu erwerben, sich durch Landwirtschaft, Fischerei, Handwerk, Schneiderei oder kleine Geschäften ihr Leben zu verdienen. Einen wichtigen Beitrag zum Leben in der Gemeinschaft tragen vor allem die Frauen, sagt Senior Program Advisor Joanne Dessureault. Mit ihrem achtköpfigen Team bemüht sie sich tagtäglich vor Ort, den Menschen wieder zu einem geregelten Alltag mit Zukunftsaussichten zu verhelfen: "Wir versprechen nichts und können keine Wunder vollbringen", sagt die Programmleiterin, "aber wir können versuchen, wieder etwas Freude in ihr Leben zu bringen."

Austausch

In neu gegründeten Frauengruppen werden Informationen, Fähigkeiten und Ideen ausgetauscht, um sich gegenseitig das Leben zu erleichtern und Probleme zu teilen. Durch den Tsunami haben sich auch die Familienkonstellationen verschoben. Die klassische Mutter-Vater-Kind-Konstellation existiert oft nicht mehr; es gibt viele AlleinerzieherInnen, nicht selten betreut eine Frau bis zu sechs oder mehr Kinder. Auch die altgewohnten Traditionen und Gemeinschaften gibt es nicht mehr. Ein starker Zusammenhalt der Menschen in den neuen Dörfern ist für das Alltagsleben deshalb besonders wichtig - auch wenn das Vertrauen in die neuen, bunt zusammengewürfelten Gemeinschaften erst langsam wachsen muss. "Ich vermisse mein Zuhause, aber ich bin froh, hier zu sein", sagt Husna, eine der Leiterinnen der neu gegründeten "Kembang Seroja"-Frauengruppe in Saree. Sie konnte mit ihrem Mann und ihrer siebenjährigen Tochter dem Tsunami entkommen. "Wir können nicht zurückgehen, da unser Dorf komplett zerstört wurde, also müssen wir hier bleiben und in die Zukunft blicken."

Sicherheit spüren

Ein wenig Hoffnung und Frohsinn vermitteln die kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, die CARE im Rahmen des psychosozialen Programms organisiert. "Bei ihnen kommen die Menschen wieder zu gemeinsamen Aktivitäten zusammen, und es wird das Gefühl der Sicherheit wieder hergestellt, das nach dem Tsunami verloren ging", sagt Joanne Dessureault. So wie bei der Tour von "Pmtoh", einer berühmten Gruppe von Geschichtenerzählern aus Aceh, die die Überlebenden wieder das Lachen lehren soll – und deren traditionelle Volksgeschichten für eine Stunde Heiterkeit in die Herzen und Gesichter zaubern. "Jeder weiß vom Tsunami", sagt der Hauptdarsteller von Pmtoh, ein berühmter Poet aus Aceh. "Aber wir können daraus nur lernen: Wie man mit Problemen umgeht, in dem man sich trifft, das ganze Dorf zusammenkommt."

Angst und Hoffnung

Manche können völlig offen über ihre verlorenen Familien sprechen, oder die Geschichte ihrer eigenen Rettung erzählen, anderen fällt es sehr schwer, das Geschehene zu verarbeiten: "Wenn es ein Erdbeben gibt, schauen wir aufs Meer. Und manchmal sind wir glücklich, manchmal aber überkommt uns doch wieder die Angst – vor einer neuen Flut, einem Tsunami", sagt Ibu Nur aus dem CARE-Übergangsquartier in Lambaro Skep. "Umso wichtiger ist es, den Kindern zu erzählen, dass es Hoffnung gibt." (isa)