In der Studie wird festgehalten, dass "der 'Mainstream' ... durch integrationsfreundliche Grundhaltungen repräsentiert (wird), nicht durch religiös-konservative oder versteinerte kulturelle Vorprägungen". Es gebe zwar eine "signifikante Minderheit", die anders denkt, sie "kann aber keine Meinungsführerschaft beanspruchen".

Die Integrationswilligkeit wurde nicht direkt in den Telefonumfragen und Leitfadeninterviews unter 504 Türken und Bosniern erfragt. Der Verfasser, der Islamexperte der Universität Erlangen-Nürnberg Mathias Rohe, schließt vielmehr aus Haltungen zur Vereinbarkeit von Koran und Österreichs Gesetzen sowie zu Zwangsehe oder "Ehrenmorden" auf Integrationsfreundlichkeit - ohne diese jedoch zu beziffern.

Prozentsätze nennt er nur bei der Einschätzung des Maßes an Integration: Weit mehr als die Hälfte der Bosnier halte die Situation der Muslime in Österreich für besser als in anderen europäischen Ländern, jedoch nur 40 Prozent der Türken. Damit korrespondierend halte die Hälfte der Bosnier, aber nur elf Prozent der Türken die Muslime für gut integriert, während nur fünf Prozent der Bosnier, aber ca. ein Viertel der Türken sie für schlecht integriert halte.

Qualitatives Nachfragen relativiert negatives Bild

Die qualitative Nachfrage relativierte das negative Bild der Türken aber erkennbar, so Rohe: "Deutlich wird, dass bei ihnen - anders als bei den Bosniern - Sprachprobleme als häufigster für schlechte Integration genannter Grund auftaucht", auch religiöse Probleme (Kopftuch) würden häufiger genannt.

Insgesamt halte aber die Mehrheit der befragten Muslime (fast die Hälfte der Religiös-Konservativen, fast 70 Prozent der Moderat-Liberalen) die Muslime in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern für gut integriert. Wobei in der qualitativen Nachfrage aber deutlich mehr als ein Drittel aller befragten Muslime der Aussage zugestimmt habe, dass vor allem die Türken "eher schlecht integriert seien und sich nicht anpassen wollten". Dem stimmten nur ca. ein Fünftel der Moderat-Liberalen, aber jeweils mehr als 40 Prozent der Religiös-Konservativen und Säkularisierten zu, so Rohe.

Integration bei weitem noch nicht abgeschlossen

"Integration" auf niedrigem Niveau konstatiert Rohe in dem der APA vorliegenden 52-seitigen "Executive Summary" über "Perspektiven und Herausforderungen in der Integration muslimischer Mitbürger/innen in Österreich". Die Integration der Moslems in die österreichische Gesellschaft - "nicht: die Assimilation an sie!" - sei "noch bei weitem nicht erfolgreich abgeschlossen".

Es dominiere das "weitestgehend friedfertige Nebeneinander mit einer noch verbreiteten gegenseitigen Distanz", stellt er fest. "Persönliche Erfahrungen und Einschätzungen der befragten Österreicher und Muslime hinsichtlich des Zusammenlebens lassen die vereinfachte Aussage zu, wonach ein insgesamt eher kontaktarmes, friedliches, aber von einiger Distanz geprägtes Nebeneinander besteht."

"Sehr heterogene" Gruppen

Rohe verweist aber darauf, dass sowohl Österreicher als auch Moslems "sehr heterogene" Gruppen seien - und teilt die Moslems in vier Kategorien ein: Rund ein Viertel der Türken und Bosnier seien "säkularisiert" (lebt also rituelle Aspekte der Religion im Alltag praktisch nicht), fast ein Drittel "moderat liberal" (bekennend gläubig, aber kritisch gegenüber konservativ-religiösen Doktrinen), ein gutes Viertel traditionell-konservativ und ein knappes Fünftel religiös-konservativ (mit in äußeren Zeichen wie Kleidung, Ritualgebet oder Moscheebesuch sichtbarer streng religiösen Lebensweise).

Die befragten Österreicher äußerten sich zu mehr als 60 Prozent neutral (39 Prozent) oder positiv (24 Prozent) über die Muslime - während 40 Prozent ihnen moderat oder sogar extrem (17 Prozent) negativ gegenüber steht. Der Islam werde als gesellschaftlich rückständig wahrgenommen, "weitgehend aber nicht als strukturell gewalttätig", auch wenn ihm größere Gewaltbereitschaft zugeschrieben werde als anderen Religionen. "Die große Mehrheit der Österreicher (fast 90 Prozent) unterscheidet hier zwischen dem Islam als Ganzem und seinem Missbrauch durch Extremisten."

Telefoninterviews und Leitfadeninterviews in großer Zahl

Rohe hat nicht nur Telefoninterviews unter 1.000 Österreichern und 504 Moslems - Türken und Bosniern in Österreich - Ende 2005 durchgeführt, sondern auch ausführliche Leitfadeninterviews mit rund 100 Moslems Anfang 2006. Außerdem hat er ausführlich auch die Berichterstattung der Tageszeitungen zum Thema analysiert.

Weitere interessante Ergebnisse hält Rohe in der Frage der Haltung zur Lebensweise der Österreicher fest: "Fast ebenso viele Religiös-Konservative wie Säkularisierte (41 bzw. 47 Prozent) schätzen Freiheit, Selbstbestimmung und Fleiß der Österreicher. Allerdings werden Art der Erziehung, geringer Familienzusammenhalt und mangelnde nachbarschaftliche Kontakte und mangelnder Respekt vor dem Alter von vielen beklagt."

Türken verunsichert

Bei Bosniern seien im Hinblick auf Kultur und Religion wie auch bei der Integration allgemein kaum Probleme erkennbar, während unter Türken verbreitete Verunsicherung hinsichtlich ihrer Identität, neben Sprachproblemen auch eine deutlich stärkere Distanz zur Mehrheitsgesellschaft verbreitet sei, schreibt Rohe.

Ein weiteres interessantes Ergebnis: Ein "erheblicher Anteil" von ca. 38 Prozent der Muslime wünsche einen größeren Einfluss des Islam auf die österreichische Politik und Gesellschaft - und ein großer Teil der Österreich sehe dies mit Sorge. Diese Forderung hätten aber vor allem Religiös-Konservative erhoben, hält Rohe fest - und sie dürften sich wohl vor allem auf einen öffentlich "sichtbaren" Islam beziehen, also z.B. Moscheen oder die Etablierung der islamischen Feiertage. Dies sei jedoch "normal". Wiewohl eine "geringe Zahl gefährlicher Extremisten... zweifellos vorhanden sei", seien Gerüchte über "Masterpläne zur Islamisierung Europas sind dem Genre der (partiellen) Weltuntergangsprophetie zuzurechnen".

Abschließend zeigt Rohe Wege zur Integration auf: Ein "adäquates Ausbildungssystem einschließlich auschlussfähiger religiöser Ausbildung, realistische Möglichkeiten zur wirtschaftlichen und sozialen Partizipation einschließlich einer Präsenz in Öffentlichkeit und Medien, welche die Binnenpluralität angemessen widerspiegeln". (APA)