Geschlechterpolitik
Presseerklärung
der österreichischen NGO-Delegation
"Die vierte UN-Weltfrauenkonferenz vor fünf Jahren wurde als eine Konferenz
des Aufbruchs zu einer emanzipatorischen Frauenpolitik gefeiert - was ist
davon geblieben? Das frägt sich nicht nur die achtköpfige österreichische
NGO-Delegation angesichts der frauenpolitischen Rückschritte in Österreich,
auch global muß von einem back lash gesprochen werden. Die Kluft zwischen
arm und reich vergrößert sich in allen Erdteilen der Welt, die ökonomischen
Überlebensbedingungen werden für Frauen angesichts des global agierenden
Neoliberalismus prekärer.
Bei der Anfang Juni in New York stattfindenden Peking +5 Konferenz wird
Zwischenbilanz gezogen: Was waren die Hindernisse dafür, dass viele Staaten
sowohl die Aktionsplattform, das Abschlussdokument der Konferenz, als auch
ihre nationalen Commitments so mangelhaft umgesetzt haben? Etwa Österreich
versprach Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen zu setzen, Gleichbehandlung in
den Verfassungsrang zu heben, partnerschaftliche Hausarbeit zu forcieren,
frauenspezifische Entwicklungszusammenarbeit zu leisten und Frauen Asyl zu
gewähren, die vor sexueller Gewalt fliehen mußten. Einiges ist in den
vergangenen fünf Jahren tatsächlich auch realisiert worden: etwa das
Wegweiserecht von Gewalttätern oder ein zusätzlicher
Gleichstellungsparagraph in der Bundesverfassung. In der
Entwicklungszusammenarbeit lassen Gelder explizit für Frauenprojekte auf
sich warten, die Asyldiskussion steckt in den Kinderschuhen - vereinzelte
legistische Ansätze stehen einer verschleppten Praxis gegenüber. Noch
schwerer wiegt allerdings die Politik der VP/FP-Regierung, die
Frauenpolitik nur im Kontext mit Kind, Familie und Teilzeitjob sehen kann.
Die Abschaffung des Büros der Frauenministerin und die Abkehr von einer
eigenständigen Frauenpolitik steht im Widerspruch zu international
eingegangenen Verpflichtungen.
Die Ignoranz gegenüber einer internationalen politischen Bühne ist für die
Regierung sprichwörtlich. Internationale Abkommen werden unterlaufen, der
Kritik stellt sie sich nicht. Die für Frauenpolitik zuständige Ministerin
Sickl zieht es vor, bloß BeamtInnen nach New York zu schicken. Unter der
offiziellen Regierungsdelegation findet sich keine einzige PolitikerIn.
PolitikerInnen oder BeamtInnen - die NGO-Vertreterinnen gehen jedenfalls
auf kritische Distanz und werden gegebenenfalls auch Aufklärungsarbeit
leisten, wenn es um die Darstellung der österreichischen Situation geht.
Die österreichischen Verhältnisse kritisch zu beobachten ist eine Aufgabe,
die sich die NGOs stellen, eine andere ist, dass NGOs zukünftig stärker auf
Abkommen wie die Aktionsplattform, die Frauenkonvention gegen
Diskriminierung oder auch auf die EU-Gleichstellungsrichtlinien pochen
werden - denn Isolation ist auch in bezug auf Frauenpolitik kontraproduktiv."