Derzeit u.a. im Espace Louis Vuitton ausgestellt sind das Rad von Subodh Cupta ...

Foto: Louis Vuitton

... und die kolorierte Fotoarbeit von Pushpamala.

Foto: Louis Vuitton
Besonders Luxuskonzerne geben sich zunehmend kunstsinnig. Zu Besuch im Pariser "Espace Louis Vuitton".

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Es sind die Accessoires, auf die Luxuslabels derzeit am liebsten bauen - nicht nur, weil sie am meisten Geld bringen, sie verleihen einem Haus erst wirklichen Glanz. Für die Unternehmen selbst ist dagegen die Kunst zum luxuriösesten Accessoire avanciert, in der Modemetropole Mailand genauso wie in Paris. Hier leisteten sich in den vergangenen Monaten gleich mehrere Hersteller eine eigene Kunst-Visitenkarte. Cartier eröffnete seine "Fondation" (Bis Ende Mai ist hier noch eine wunderbare Ausstellung des deutschen Ausnahmefotografen Juergen Teller zu sehen). Und Louis Vuitton errichtete unterm Dach seines riesigen Shoppingtempels auf den Champs-Elysées einen eigenen "Espace": 450 Quadratmeter, die weder den Taschen mit dem berühmten Monogramm noch Marc Jacobs' Ausnahmemode gewidmet sind, sondern der Kunst. Sie ist noch immer der beste Garant für symbolisches Kapital. Und mit dem schmückt sich auch ein Kofferhersteller gern.

Natürlich ist Kunst in diesem Fall nicht gleich Kunst. Vanessa Beecroft, die mit ihrer Ausstellung die Galerie im Januar eröffnete, drapierte ihre nur mit Strings und Louis-Vuitton-Pumps bekleideten Models bereits bei der Eröffnung des Flagshipstores in den Regalen des Hauses - sie denkt bekanntlich besonders intensiv über weibliche Repräsentation nach.

Einbindung kritischer Geister

Eine solche Aura des Kritischen ist auch für Unternehmen interessant. Schon lange gibt es die Feindschaft zwischen Großkonzernen und sich kritisch gerierender Kunst nämlich nur mehr auf dem Papier. Louis Vuitton ist an dieser Entwicklung genauso beteiligt wie die Kollegen bei Boss, Prada oder Cartier: Durch die Einbindung kritischer Geister steigt der eigene Marktwert beträchtlich. In klingender Münze erfuhr das der Konzern im Zuge seiner Zusammenarbeit mit den Künstlern Stephen Sprouse und Takashi Murakami (die heiß begehrten Logo-Kreationen!).

Einen direkten monetären Hintergrund - darauf legt man im Hause großen Wert - gibt es dagegen im Falle des "Espace Louis Vuitton" nicht. Auch nicht bei der neuesten Ausstellung, die der indischen Gegenwartskunst gewidmet ist und damit geschickt die lange Tradition von LV auf dem Subkontinent in Erinnerung ruft. Viele Jahrzehnte lang stattete das Haus, das mit Koffern für den Kolonialreisegebrauch groß geworden ist, die indischen Maharadscha-Familien aus. Davon ist in der Ausstellung nichts zu sehen. Kurator Hervé Mikaeloff setzt ganz auf die satte Ästhetik Indiens, auf dessen Gesichter und seine tiefe Spiritualität - ohne dabei allerdings in Klischees abzugleiten. Bharat Sikka porträtiert Menschen aus dem öffentlichen Leben Indiens, Pushpamala N. schlüpft in immer neue Rollen und manchmal auch aus dem Fond eines Ambassadors. Sie ist die Cindy Sherman Indiens, wenngleich etwas verspielter.

Beispiel: Fahrrad als Kuh

Der Blick, den man bei Louis Vuitton auf Indien wirft, ist ein zutiefst zeitgenössischer. Die rapide Umgestaltung des Landes blitzt dabei allerdings nur am Rande auf. So betitelt Subodh Gupta sein mit Milchkannen behängtes Fahrrad frech als "Kuh", wenngleich deren neuzeitliche Verkörperung wohl eher ein Smart wäre. Partrick Rimoux nimmt sich Bollywoods an und gestaltet aus Zelluloid-Streifen abstrakte Bilder. Der eindringlichste Beitrag zur Ausstellung aber kommt von Sylvie Blocher, die vier indische Männer dabei beobachtet, wie sie sich in Ekstase versetzen - für europäische Beobachter ein sehr ungewohntes Bild, sinnlich, spirituell und sexuell aufgeladen und nur entfernt mit jenem Gemütszustand zu vergleichen, mit dem japanische Kunden sich in den Etagen unter dem Ausstellungsraum über die neuesten Louis-Vuitton-Taschen hermachen.
(Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/19/05/2006)