Seinen 60. Geburtstag verbrachte Edi Koblmüller alleine auf einer Skitour (großer Pyhrgas/Oberösterreich): „Ich fühle mich nicht wie 60. Das Bewusstsein, dass ich jetzt 60 bin war fast wie ein Schock.“

eko
Warum zieht es Sie in die Berge?

Das extreme Bergsteigen ist ein Gang an meine persönliche Grenze. Das Kennenlernen dieses Grenzbereichs ist spannend. Dazu die Natur.

Planen Sie in naher Zukunft eine größere Bergtour?

Ich werde auf keinen Achttausender mehr gehen. Dazu fehlt mir die Motivation. Es ist mir egal ob, ich auf sechs oder sieben Achttausendern gewesen bin.

Hängt die fehlende Motivation mit Ihren Schicksalsschlägen zusammen? Als Ihr Sohn 1999 von einer Lawine in den Tod gerissen wurde haben Sie gleichzeitig Ihren, bis dato, letzten Achttausender bestiegen.

Der Zusammenhang mit Michael ist schon gegeben. Ich habe jahrelang einen Schock gehabt. Wenn das mit Michael nicht passiert wäre, hätten wir sicher, vielleicht gemeinsam, noch einen oder zwei Achttausender probiert. Nach Michaels Tod habe ich jede Motivation verloren. Dann sind ein paar Jahre vergangen und heute fehlt die Motivation vielleicht aus Altersgründen. Ich gebe mich mit kleineren Dingen zufrieden. Es muss nicht ein Achttausender sein. Ich will im Juli als Leiter einer Bergspechte-Expedition auf einen Siebentausender im Karakorum.

Was erwarten Sie sich von dieser Expedition?

Der Karakorum ist mein Schicksalsgebirge. Ich habe dort meine erste Expedition zu einem Siebentausender geleitet. Dann ist mein Sohn dort verunglückt. Für mich ist es das wildeste Gebirge der Welt.

Sie bieten in Ihrem Reisebüro auch Achttausender-Besteigungen an. Was muss ein Mensch mitbringen, damit er an so einer Extrem-Expedition teilnehmen darf?

Für das Höhenbergsteigen sollte man zumindest ein guter Durchschnittsbergsteiger sein, sehr gute Ausdauerkondition haben und mental gut drauf sein. Mindestens 60 Prozent vom Erfolg eines Höhenbergsteigers liegen im Kopf. Man muss stur sein. Bersteigen in 7000 Metern Höhe ist kein Vergnügen. Manche Leute die sind stur genug diese Widrigkeiten zu überwinden, andere hauen eher den Hut drauf. Ich gehöre zu denen, die das Begonnene zu Ende führen wollen. Und das Ende einer Bergtour ist der Gipfel.

Heißt das, das Gefühl am Gipfel zu sein, ist das Gefühl man hat es geschafft?

Letztlich ist der Gipfel eine Zwischenstation. Du hast das Gefühl, du hast es geschafft, weißt aber: Hinunter kommen muss ich auch noch. Der Abstieg ist oft gefährlicher. Du bist nicht mehr so aufmerksam, weil du ausgebrannt bist.

Sie sind zweimal von einer Lawine verschüttet worden und haben überlebt. Ist es beide Male beim Abstieg passiert?

Nein, das zweite Mal, voriges Jahr, war es beim Aufstieg zum Gran Sasso (Italien). Das erste Mal in den Pyrenäen, vor 15 Jahren, war es bei der Abfahrt.

Was passiert, wenn einen die Lawine mitreißt?

Man hat keine Angst, man kämpft ums Überleben. Da geht's dahin. Aktiv kann man versuchen die Skibindung zu öffnen, den Griff beim ABS-Rucksack ziehen. Man kann auf den Lawinenstillstand warten. In dieser Sekunde kann ich mir eine Atemhöhle schaffen. Das ist mir in beiden Fällen nicht gelungen. Ich war wie einbetoniert. Ich wurde schnell bewusstlos.

Haben Sie in dem Moment an das Sterben gedacht?

Eigentlich nicht. Beim ersten Mal war mein letzter Gedanke "Wie hoch sind meine Chancen, wie lange brauchen sie um mich zu finden". Das zweite Mal war ich überzeugt, meine Kollegen finden mich gleich. Ich habe mir gedacht, dieses Mal werde ich nicht bewusstlos, aber das geht dann schnell.

Beschäftigen sich Menschen, wie Höhenbergsteiger, die sich freiwillig lebensbedrohlichen Situationen aussetzen, intensiver mit dem Thema Tod?

Ich gehöre sicher zu jenen Menschen, die sich freiwillig zusätzlichen Gefahren zum Alltag aussetzen. Ich glaube nicht, dass man sich intensiver mit dem Tod beschäftigt. Ich gehe ja nicht in die Berge damit ich durch einen Unfall umkomme. Ich bin vielleicht weniger auf Sicherheit programmiert. Sonst hätte ich als 30-Jähriger nicht aus einem absolut sicheren Beruf aussteigen und ins kalte Wasser springen dürfen, nämlich als Gründer einer Bergsteigerschule ausgerechnet in Linz. Ein Interview von Astrid Gach Zur Person Geboren am 10. April 1946 in Linz feierte Extrembergsteiger Edi Koblmüller heuer seinen 60. Geburtstag. Sein Leben hat er dem Bergsteigen verschrieben. Nach seiner Matura studierte er Forstwirtschaft in Wien. Danach arbeitete er als Beamter im forsttechnischen Dienst der OÖ. Landesregierung. Diesen sicheren Job gab der risikofreudige Oberösterreicher auf und gründete 1978 in Linz die Alpinschule Edi Koblmüller. Aus der Schule entwickelte sich das heutige Spezialreisebüro "Die Bergspechte", das Koblmüller als Geschäftsführer leitet. Seine alpinistische Laufbahn startete er 1963. Der seit 1976 staatlich geprüfte Berg- und Skiführer hat zahlreiche Sechstausender, sechs Siebentausender und fünf Achttausender, zum Teil auf neuen Routen, erklommen. Neben bergsteigerischen Höhen und Tiefen musste der heute 60-Jährige auch private Schicksalsschläge überstehen. Sein Sohn Michael, verunglückte 1999 im 25. Lebensjahr am Diran/Karakorum, während er mit seinem zweiten Sohn Reinhard (29, Arzt in Schweden) den 200 Kilometer entfernten Broad Peak bestieg. Seine Frau Elisabeth, mit der er seit 1972 verheiratet war, verunglückte 2003 bei einem tragischen Kletterunfall auf der Rudolfshütte/Hohe Tauern.