Manfred Krankl beim WeltWeinFestival 2006

Foto: Weltweinfestival/© Herbert Lehmann

"Das mit den Etiketten hab ich so gemacht, weil es mir am Herzen gelegen ist, und weil es mir Spaß macht." Manfred Krankl zeichnet und malt, seit er "ein Bub war".

Seine Weine erhalten jedes Jahr ein neues Etikett und Namen wie "A Capella". "Queen of Spade" oder "The Hussy".

Foto: Weltweinfestival/© Herbert Lehmann,
Manfred Krankl, geboren in Oberösterreich, Wohnsitz im Santa Barbara Valley, Kalifornien, macht mit seiner Frau Elaine Weine, die von Kritiker-Guru Robert Parker geschätzt und von Weinfans in aller Welt als Raritäten gesucht werden

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Für Essen und Trinken habe er sich immer interessiert, erzählt Manfred Krankl, schließlich ist er "gelernter Koch und Kellner". Als er 1980 nach Kalifornien auswanderte, arbeitete er in einem Käsegeschäft und führte sieben Jahre ein Hotel, eine Zeit, die er als seine "eigentliche Schule" bezeichnet. 1989 eröffnete er mit zwei Freunden das "Campanile", ein Restaurant in Los Angeles. Da es dort zu dieser Zeit "kein gutes Brot" gab, haben sie ihre eigene Bäckerei dazugebaut, die "ziemlich eingeschlagen hat". Als für das Lokal ein guter Hauswein gefragt war - "wieso soll ich etwas Schlechtes unter unserem Namen verkaufen?" - begann sich Krankl fürs Weinmachen zu interessieren und beschloss in der Folge, einen eigenen Wein zu machen.

2001 wurde die Bäckerei, die zu einer landesweiten Franchise-Kette gewachsen ist, verkauft. Auf "Sine qua non" machen Elaine und Manfred Krankl mit viel "passion" und großem Erfolg auch weiterhin Weine aus roten und weißen Rhône-Rebsorten wie Syrah, Grenache oder Roussanne, Marsanne und Viognier. Und mit seinem Freund Alois Kracher, von dem er "eigentlich nicht mehr weiß, wie ich ihn kennengelernt habe", produziert er "Mr. K"-Süßweine in Südkalifornien.

DER STANDARD: Ihre Weine sind Raritäten und wurden von Beginn an zu hohen Preisen gehandelt. Sie haben erzählt, dass Sie sich aber nie Gedanken über Marketing gemacht hätten?

Krankl: Ich mag Marketing nicht. Und dadurch, dass wir mit Weinmachen als Hobby anfingen und nie daran dachten, daraus einen Beruf zu machen, hab ich mich auch nie ums Marketing gekümmert, weil mein Netz immer das Restaurant war. Ich habe immer den Wein machen könnte, den ich wollte. Auch das mit den Etiketten hab ich immer so gemacht, weil es mir am Herzen gelegen ist und weil es mir Spaß macht. Mittlerweile ist es natürlich Marketing in gewisser Weise. Aber ich habe nie darüber nachgedacht im tieferen Sinn.

DER STANDARD: Auch nicht über die Verteilung? Ihre Weine sind sehr schwer zu bekommen.

Krankl: Über die Distribution natürlich schon. Man hat keine Chance, wenn man zu Beginn nicht darüber nachdenkt. Wir haben den ersten Wein herausgebracht, ich habe eine Flasche an Robert Parker geschickt und hohe Bewertungen dafür bekommen. Dann gab es natürlich viele Anrufe. Aber davor hatte ich schon ein paar Freunde, die im Weingeschäft waren, und einige „Verteiler“ wie Alois Kracher. Mittlerweile werden etwa 60 Prozent der Weine direkt verkauft über Mailing Lists - die es in Österreich nicht in dieser Form gibt. D.h. Kunden kaufen direkt bei mir und ich schicke die Bestellung durch ganz Amerika ein- bis zweimal im Jahr. Die restlichen 40 Prozent werden via Händler in verschiedene Bundesstaaten und andere Länder verteilt.

DER STANDARD: War diese Positionierung im Topsegment der Weine beabsichtig?

Krankl: Ich habe nie gesagt, ich möchte einen Kultwein machen. Aber es freut mich natürlich, wenn jemand das haben möchte, was ich herstelle. Klar ist es schöner, dass jemand meinen Wein will, den ich nicht mehr habe, als umgekehrt. Aber manche meinen auch, das ist Marketing oder arrogant. Aber so etwas hat mit den anderen zu tun, nicht mit mir. Ich mache meine Sache. Aber das ist eben das Problem mit Marketingmenschen, die machen aus allem Marketing, ob ich jetzt zu Veranstaltungen hingehe oder nicht. Darüber nachzudenken, was ich nächstes Jahr mache oder einen Marketing Plan zu haben, so etwas gibt es bei uns nicht. Ich habe kein Budget dafür. Aber das Ganze ist ein Glücksfall von Anfang an. Wir hatten einfach sehr wenig Wein mit sehr hohen Bewertungen, dadurch hat sich alles von selbst ergeben.

DER STANDARD: Wie viele verschiedenen Weinstile machen Sie pro Jahr?

Krankl: Wir machen normalerweise einen Weißwein eine Cuvée aus Rebsorten wie Roussanne, Chardonnay, ein bisschen Viogner machmal auch Chardonnay; dazu kommen Pinot Noir, Syrah und Grenache. Die Süßweine („Mr. K“) waren immer separat. Pinot Noir wurde 2005 zum letzten Mal gemacht. Der wichtigste Grund ist, dass wir in unseren eigenen Weinbergen keinen Pinot Noir gepflanzt haben. Und unser Ziel war immer, irgendwann alles aus Eigenflächen zu machen. Wir haben alles auf Rhône eingestellt und das sind vor allem Syrah, Grenache, Roussanne und ein bisschen Viogner. Wenn unsere eigenen Weinberge voll im Ertrag sind, wird sich der Mix verändern: viel mehr Syrah, viel mehr Grenache und etwas weniger Weißwein. Auch die Gesamtmenge wird steigen, vielleich10 bis maximal 15 Prozent mehr, aber das ist es.

DER STANDARD: Woher kommt Ihre Vorliebe für die Rhône-Rebsorten?

Krankl: Das hat sich einfach so entwickelt. Im Restaurant früher und auch zu Hause habe ich immer alles Mögliche probiert, Italiener, deutsche, österreichische Weine. Aber unsere Vorlieben liegen doch bei den Rhône-Weinen, speziell bei Syrah und Grenache. Außerdem ist Cabernet in Kalifornien so dominierend, dass ich dachte, wir brauchen nicht noch einen.

Aber der Hauptgrund war wirklich, dass wir sehr an den Rhône-Weinen hängen. Wenn sie richtig gemacht sind, kann man sie über einen langen Zeitraum trinken. Sie sind in der Jugend schon ziemlich schön und das zieht sich dann lange durch. Bei anderen muss man das Jahr schon ziemlich genau erwischen....

DER STANDARD: In Kalifornien gibt es die Rhône Rangers .... (Anm. Schlagwort für eine Gruppe von Weinmachern, die sich seit mehr als 15 Jahren vor allem mit Rhône-Rebsorten befassen)

Krankl: Ich hasse diese Bezeichnung. Ich habe damit eigentlich nichts zu tun, aber mitgehangen - mitgefangen. Dadurch dass wir Rhône machen, bin ich ein Rhône Ranger obwohl ich mir den Titel nicht zugeeignet habe. Aber was Rebsorten anlangt, hat sich in den letzten zehn Jahren schon viel geändert. Als ich begonnen habe, gab es nur sehr wenig Syrah und Grenache überhaupt nicht. Mittlerweile haben diese Rebsorten sehr zugelegt, und die Rhône Wein sind schon relativ verbreitet, auch wenn sie nicht dem Bekanntheitsgrad von Chardonnay oder Cabernet haben.

DER STANDARD: Wie arbeiten Sie am Weingut?

Krankl: Erstens möchte ich vor allem einen Wein mache, der mir zusagt, selbst wenn ich damit nicht immer erfolgreich bin. Zweitens möchte ich Weine machen, die im breitesten Sinn dem kalifornischen Terroir entsprechen. Ich weiß dass kalifornisches Terroir eine große Sache ist. Was manchmal eine kompliziertere Angelegenheit ist. In wärmeren Gegenden können die Weine manchmal zu wuchtig werden, das mag ich nicht. Und drittens soll sich der Jahrgang voll ausdrücken können. Wir ändern jedes Jahr Namen und Etiketten, geben den Weinen ihre eigene Identität. Und betonen damit, dass es Spaß macht, dass ein Wein jedes Jahr anders schmeckt. Das bedeutet nicht, dass ich jedes Jahr einen Wein mache, der gleich ist wie der vorige, dafür vielleicht fünf Prozent besser. Es ist die Individualität, die ich anstreben, nicht die Gleichheit.

DER STANDARD: Wie erreicht man das in der Praxis?

Krankl: Am besten ist es, so natürlich - fast kann man sagen - so primitiv wie möglich zu arbeiten. Wir pumpen etwa nicht, alles funktioniert mit Schwerkraft. Mit dem Hubstapler werden die Fässer hochgehoben, ich stecke einen Schlauch rein und sauge an, wenn ich den Wein von einem Fass ins andere bekommen möchte.

Ich bin bei allem gerne dabei, weil ich dann genau weiß, wo der Wein steht, was gerade damit passiert. Seit Anfang an sortieren wir zwei Mal , vor und nach dem Entrappen (Anm. die Stängel entfernt) wir achten also sehr genau auf die Sauberkeit und Auslese. Außer der Sache mit dem Hubstapler könnte ich mir vorstellen, dass es sich vor 100 Jahren auch nicht viel anders abgespielt hat. Manche glauben, dass da in Kalifornien überall große Maschinen sind. Die Leute wären überrascht, wie primitiv das manchmal alles ist.

DER STANDARD: In Europa werden Übersee und im speziellen Kalifornien gerne als die bösen Buben dargestellt, weil ihnen das Gesetz viel mehr Möglichkeiten gibt und sie daher auch viel mehr Technik einsetzen . . .

Krankl: Man sieht im Zusammenhang mit Amerika immer die großen Traktoren und Maschinen. Aber es gibt viele kleine Betriebe wie mich. Und klar gibt es auch Gallo, Mondavi und Beringer.

DER STANDARD: Wie realistisch ist also das Bild, das hier in Europa von Kalifornien gezeichnet wird?

Krankl: Natürlich gibt es Napa, das Bordeaux von Kalifornien. Ich finde schon, dass dort viele gute Weine gemacht werden, aber das Image ist gut und schlecht zugleich. Napa ist sehr laut, jeder kennt es. Und es gibt viele Leute, die z. B. im Dot.com-Business fünf Millionen Dollar gemacht haben und sich um dieses Geld eine Winery in Napa kaufen. Und sie engagieren jemanden mit großem Namen, der den Wein macht. Speziell von Europa aus, sieht das dann ein bisschen herzlos aus oder hat so einen Hollywood-Beigeschmack.

Dabei übersieht man Anderes leicht, vielleicht ein bisschen wie in Frankreich. Wie viele Leute kennen zum Beispiel den wunderbaren Auguste Clape (Weinmacher in der kleinen Appellation Cornas an der Rhône, der sehr traditionalistisch arbeitet, Anm.) und wie viele kennen im Gegensatz dazu Mouton-Rothschild? Aber es gibt schon sehr viele Leute, auch in Napa, die immer noch arbeiten wie die Tüftler. Aber das findet man dann nicht so leicht, weil sie einfach versteckter sind.

DER STANDARD: Sie malen und entwerfen Motive für Ihre Etiketten. Wann haben Sie Ihre künstlerische Ader entdeckt?

Krankl: Ich habe als Bub schon immer gezeichnet und gemalt. Das mit den Etiketten hat sich ergeben. Der erste Wein fürs Restaurant 1990 hieß „Thief“. Was ein Wortspiel war, denn das bedeutet nicht nur nur „Dieb“, sondern auch „Weinheber“. Zu dieser Zeit besuchte ein sehr bekannter Künstler, Jim Dine, unser Restaurant und der hat Bilder-Serien gemalt mit Herzen, im Sinne von „Er stiehlt dir das Herz“ zum Beispiel. Und er hat uns eines seiner Kunstwerke für das Etikett überlassen. Das hat mich auf die Idee gebracht. Ich habe zwei meiner Passionen, Wein und die Kunst, zusammengebracht und das den Leuten eigentlich aufgezwungen. Außerdem wär’s mir zu langweilig, immer nur die gleichen Etiketten zu haben...

DER STANDARD:... ganz gegen das Marketinggesetz der Wiedererkennbarkeit....

Krankl: Alle haben gesagt, du bist verrückt. Ein Etikett kennen viele Leute und du willst es immer verändern. Lustig ist, dass zehn Jahre später alle das Gegenteil sagen....

DER STANDARD: Ihre Weine sollen kalifornisches Terroir widerspiegeln. Wie beschreiben Sie das jemandem, der wissen will, was das ist und wie das schmeckt?

Krankl: Wenn man zu "Kalifornien" Wörter assoziiert, kommt ganz sicher "Sonnenschein". Wir haben nur ganz wenig Regen. Kalifornien ist Sonne, wir müssen daher Weine hervorbringen, die reifer und kräftiger sind als zum Beispiel vieles in Frankreich. Aber das sollte man auch nicht übertreiben. Ich bin selbst ein Kritiker der kalifornischen Trends.

DER STANDARD: In welche Richtung gehen die?

Krankl: In Richtung "noch mehr". Die Leute sagen, das war jetzt gut und nächstes Jahr muss ich das Ganze noch stärker, intensiver, extremer machen, damit es noch besser wird. Aber die besten Weine sind nicht extrem, sondern balanciert. Und da muss man wieder den Zusammenhang sehen: Balanciert in Kalifornien bedeutet etwas Anderes als balanciert in Bordeaux, Burgund oder Australien.Australien ist so populär geworden in den letzten Jahren, dass die Kalifornier glauben, dass sie da in den Wettbewerb treten müssen. Das halte ich für einen Fehler, denn Kalifornien hat sein eigenes Terroir, wenn man schon diesen Begriff benutzen muss. Wir haben das Glück, dass wir so schön in der Mitte zwischen Australien und Frankreich sein könnten. Es wäre völliger Unsinn, wenn ich Weine machen würde wie Jean-Louis Chave (Anm. Weinmacher an der Rhône), da müsste ich die Weine in etwas reinzwingen, das sie nicht sind.

DER STANDARD: Weinmachen ist also das Zusammenspiel von Gegebenheiten....

Krankl: Es ist so eine Art amerikanischer Fehler, dass wir immer so schnell arbeiten wollen. Wir sagen, wenn wir uns abschauen, wie es die anderen machen, dann haben wir auch guten Wein. Der Fehler ist, dass wir nicht lange genug darüber nachdenken, warum es die anderen gerade so machen, was sind die Gegebenheiten, die Umstände, wie ist das Wetter und wie war das früher. Aber sie sind ja alle Marketingtypen: Daher wird auch in Frankreich viel erzählt und eine Notwendigkeit zu einer Tugend erhoben.

Aber so ist es eben: Man kann sich gewissen Sachen anschauen, aber man kann nicht alles übertragen. Da liegen 10.000 Kilometer dazwischen. Im Endeffekt ist es doch oft eine Gefühlssache und man kann nicht immer sagen, warum etwas funktioniert oder nicht. Ich bin mir zwar sicher genug, dass ich die Entscheidung treffen kann, aber ich bin mir nicht sicher, ob das zu 100 Prozent das Richtige ist. Und manchmal dauert es jahrelang, bis man das rausfindet. DER STANDARD : Ist das der California Dream, auf diese Art und Weise Wein zu machen? Krankl : Ja, wahrscheinlich. Wenn man direkt drinnen ist, fällt einem das natürlich nicht auf. Aber wenn mich jemand vor 25 Jahren gefragt hätte, was es denn werden soll, hätte ich gesagt: Ja, das wäre toll. (Langfassung des Interviews aus DER STANDARD, rondo/26/05/2006)