"Ich empfehle allen Unternehmen und Privatnutzern, überall wo Grundgebühr dabeisteht, die Finger zu lassen", so Oskar Obereder.

Bild: Silver Server

Der Internet Service Provider Silver Server wurde im Jahr 1994 gegründet um "experimentelle Daten-Transfer-Technologien" zu verwirklichen. Laut dem Entbündelungs Status Report 2005 der Telekom Regulierungs GmbH RTR rangiert die Silver Server GmbH heute bei der Anzahl der entbündelten Leitungen und bei der potentiellen Versorgung der österreichischen Haushalte mit ULL (Unbundeling Local Loop) auf Platz drei. Im WebStandard-E-Mail-Interview spricht Oskar Obereder, Chef von Silver Server über die Konkurrenz, Internet-Telefonie und neue Breitband-Anwendungen.

WebStandard: Laut der Telekom Regulierungs GmbH (RTR) gibt es in Sachen Breitband eine Mehrfachversorgung in Ballungszentren und eine Unterversorgung im ländlichen Raum. Was kann dagegen getan werden, werden neue Technologie wie ADSL2 Abhilfe schaffen?

Oskar Obereder: Die Telekom Austria versucht ihre Mitbewerber in Gebieten, wo sie erfolgreich sind, mit Billigangeboten auszubremsen und benachteiligt in ländlichen Gebieten, wo wenig oder keine Konkurrenz herrscht, die Bevölkerung durch wesentlich höhere Preise. Aber genau über den Preis erfolgt eine Erhöhung des Anteils von Breitbandkunden. Neue Technologien wie aktuell ADSL2+ kann dies nur in geringem Umfang beeinflussen.

Bis dato sind etwa magere 3,5 Prozent Breitband-Anschlüsse in Österreich entbündelt und der ländliche Raum nach wie vor unterversorgt. Alternative Anbieter versenken ungern ihr Geld mit Breitband-Ausbau im ländlichen Raum. Aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen im ländlichen Raum, sind wir gezwungen ein Vielfaches an Mietleitungsentgelten für die Backbone-Anbindungen, in den meisten Fällen, wiederum an die TA, zu zahlen. Außerdem müssen wir hohe Startup-Kosten in Kauf nehmen, um zum Beispiel Kolokationsräume zu errichten. Unsere Kosten bekommen wir allerdings mangels kaum zu gewinnender Restkunden nie zurück. Die Telekom hat meist schon alle potentiellen Kunden unter Vertrag.

Bei dem gegenwärtigen Regime der Regulierungsbehörde, die Entbündelungs- und Mietleitungspreise nach einem Wiedererrichtungsmodell zu rechnen, aber das Angebot der TA an Internet Service Provider ohne Entbündelung nach einem Retail-Minus-Modell relativ zu einem TA-Breitband-Endkundenpreis festzulegen, setzt alternative Entbündelungsbetreiber gehörig unter Preisdruck, da die regulierten Preise ziemlich unbeweglich, die Retail-Minuspreise aber von der TA quasi frei gestaltet werden können.

WebStandard: Manche Unternehmen versuchen Breitband mit Hilfe von neuen Diensten und Inhalten zu pushen. Ein Paradebeispiel dafür ist TV-Empfang über Breitbandverbindung. Wird sich Silver Server in diesem Bereich engagieren?

Oskar Obereder: Wir sind NGN (Next Generation Network)-Anbieter und unterstützen Triple Play am Backbone und am Local Loop in all seinen Facetten. Wie man aber leicht nachvollziehen kann, ist die zusätzliche Möglichkeit Fernsehen zu empfangen, kein besonderes Business-Kunden-Produkt. Insoweit stellt für uns der TV-Empfang über Breitband keine große Herausforderung dar. Abgesehen davon, halte ich Set-Top-Boxen im herkömmlichen Sinn für eine unnötige Krücke, wenn ich mir im Vgl. dazu Mediacenter von Microsoft oder ähnliche Produktinnovationen von Apple anschaue.
Als kleines, wendiges und von technischen Innovationen getriebenes Unternehmen haben wir viele Early Adaptors im Kundenstamm, für die das Verbinden der MPEG-Karte mit TV-Geräten keine unüberbrückbare Hürde darstellt. Unser Hauptfokus liegt daher klar bei integrierter Businesskommunikation wie etwa mit Silver:VoIP:PBX, die von uns selbst entwickelte VoIP-basierenden Telefonanlage.

WebStandard: Vor kurzem ist die umstrittene EU-Vorratsdatenspeicherung für die Telekommunikation in Kraft getreten. Was bedeutet das für ein Unternehmen wie Silver Server?

Oskar Obereder: Die endgültige Umsetzung der Verordnung wurde auf Anregung der ISPA (Internet Provider Association) in Österreich verlängert. Dadurch haben wir die Möglichkeit zu beobachten, wie andere Länder die vielen bislang ungeklärten technischen, administrativen und finanziellen Fragen lösen werden.
Der Staat will die Notwendigkeit und Verpflichtung, den Terrorismus zu bekämpfen, von den Telekombetreibern mitfinanzieren lassen. Durch den vom gleichen Staat ebenfalls gewünschten Wettbewerb im Telekomgeschäft, sind aber auch die Preise für Endkunden drastisch gesunken. Für hohe Überwachungssonderinveste ist einfach kein Raum mehr vorhanden. Bei dem neuen "Postkasten-Entscheid" des VwGH wurde auch berücksichtigt, dass Nichtverursacher nicht zur Kasse gebeten werden dürfen. Im Telekom-Bereich sind wir noch nicht soweit.

WebStandard: Immer mehr Unternehmen setzten auf Voice over IP (VoIP)-Telefonie über das Internet. Macht diese Technologie auch für Privatnutzer, die nicht regelmäßig ins Ausland telefonieren, Sinn?

Oskar Obereder: Ich würde die Frage anders stellen: Macht es heutzutage generell Sinn, über einen POTs, ISDN oder Multi-Anschluss Telefonie abzuführen? Zahlen Sie gerne Grundgebühr? Ich empfehle allen Unternehmen und Privatnutzern, überall wo Grundgebühr dabeisteht, die Finger zu lassen und auf zeitgemäße Breitbandpakete wie Silver:ADSL:Home oder Silver:ADSL:Office zu wechseln. VoIP und ENUM sind kurz davor die kritische Masse zu erreichen und machen den klassischen Festnetzanschluss obsolet.

WebStandard: 200 Nutzer aus Wien haben bei Silver Server ADSL2+ gestestet, welche Erfahrungen gibt es bisher?

Oskar Obereder: ADSL2+ ist der aktuelle Standard für das ADSL. Genauso wie in der Vergangenheit HDSL durch SDSL und SDSL durch G.SHDSL abgelöst wurden, verhält es sich jetzt mit ADSL2+. Die Produktinnovationszyklen werden immer kürzer. Silver Server hat sofort nach Freigabe des neuen Standards die nötigen Investitionen getätigt und seine gesamte Infrastruktur ADSL2+ tauglich ausgebaut.

Die Erfahrungen, die wir mit unserem ADSL2+ Trial sammeln konnten, waren für den operativen Betrieb hilfreich und bestätigen uns in der Annahme, dass die Kupferdoppelader noch lange nicht ausgereizt ist. Mittlerweile beschäftigen wir uns mit VDSL (Very High Digital Subscriber Line). Mit VDSL können schon heute auf kurzen Distanzen erheblich höhere Bit-Raten realisiert werden, als bisher angenommen.

Weiter: Kostenfallen bei Breitband-Internet, Verbreitung von Breitband-Internetzugängen

WebStandard: Die Arbeiterkammer warnt vor Kostenfallen bei Breitband-Internet. Sind die Tarifmodelle zu kompliziert und mit zu vielen Fußnoten gespickt? Werden Kunden bei Silver Server bei der Überschreitung eines vereinbarten monatlichen Downloadlimits gewarnt?

Oskar Obereder: Die Kostenfallen sind Symptome des zunehmenden Verdrängungswettbewerbs. Jeder kennt die Werbeslogans: "Grüner wird's nicht", "Breitband ab 14,90" etc. ... Haarig wird es dann, wenn die erste Nachverrechung ins Haus flattert. Mehr AON impliziert in vielen Fällen auch saftige Nachverrechnung. AON Speed und ähnliche Breitband-Lock-Angebote können ganz schon teuer werden, wie die Arbeiterkammer richtig festgestellt hat. Im Zuge der Entbündelung von Anschlüssen und Rufnummernportierung faxen uns unsere Kunden oft ihre Rechungen. Im Zuge dessen mussten wir feststellen, dass die saftige Nachverrechung nicht Ausnahme, sondern Regel ist. Silver Server bietet in erster Line echte Fair-Use-Trafficmodelle an, was bedeutet, dass bei dauerhafter Überschreitung des 3-Monatsmittels, der Kunde von seinem Vertreter kontaktiert wird und auf ein passenderes Trafficmodell (in der Regel Flat) umgestellt wird.

WebStandard: Österreich ist bei der Verbreitung von Breitband-Internetzugängen im Vergleich zu den anderen 24 EU-Staaten zurückgefallen. Während das Land im Jahr 2004 noch auf dem sechsten Platz rangierte, lag es im Vorjahr 2005 nur mehr an neunter Stelle. Woran krankt es in Sachen Breitband in Österreich?

Oskar Obereder: Dies hat eine Vielzahl von Gründen. Ein Hauptgrund ist die Tatsache, dass es in den noch unerschlossenen ländlichen Gebieten eine geringe Kundendichte gibt. Man kann also seine von der Kundendichte unabhängigen Investitionen nur schwer rückverdienen. Dieser Effekt wird von der TA dadurch noch verstärkt, dass sie durch ihr aggressives Angebot an ISPs ohne Entbündelung die Schwelle, ab der sich neu zu erschließende Gebiete für alternative Betreiber rechnen, systematisch herabsetzt. ISPs ohne Entbündelung sind aber voll von der TA abhängig und können nur den Fortschritt anbieten, den die TA für gut befindet.