"Körperliche Auseinandersetzung mit Psyche"
"Über das Essen werden Gefühlskonflikte und psychische Spannungszustände körperlich ausgetragen", erklärt Margit Hörndler, Psychologin bei "sowhat", einem auf die Behandlung von Essstörungen spezialisierten Institut in Wien. "Vielen Betroffenen fehlt das Urvertrauen, das Gefühl grundsätzlicher Sicherheit, über Essstörungen versuchen sie sich zu beruhigen, Halt zu gewinnen", ergänzt sie. Was dahinter liegt? Nicht ausgelebte Aggressionen, Minderwertigkeitskomplexe, Schuldgefühle.
Verschiedene Ausprägungen
Essstörungen und ihre Symptome treten in ganz unterschiedlichen Ausformungen auf. Bei der Magersucht - eine von zehn Fällen endet tödlich - herrscht die Angst vor der Gewichtszunahme vor, selbst bei Patienten mit sichtbarem Untergewicht dominiert das Gefühl, zu dick zu sein. Bulimie-Patienten wiederum leiden an Fressattacken, die sie durch Erbrechen oder Fasten auszugleichen versuchen. Oft passiert das im Geheimen, die Umwelt merkt nichts davon. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch Esssüchtige. Sie haben mindestens zweimal pro Woche unkontrollierte Essanfälle, haben allerdings nicht das Bedürfnis, die Nahrung wieder "loswerden" zu wollen.
Ursachen
"Bei Essstörungen ist immer eine Mischung aus vererbten, psychischen und psychosozialen Gründen verantwortlich", erklärt Andreas Karwautz, Professor für Kinder-und Jugendpsychiatrie am AKH Wien. Vor allem bei Magersucht ist der genetisch bedingte Anteil besonders hoch. Ein Grund kann in der Störung von Neurotransmittern liegen, die das Serotoninsystem und damit das Hungergefühl beeinflussen. "Bestimmte Menschen sind aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und Entwicklungsgeschichte besonders gefährdet, an einer Essstörung zu erkranken", weiß Karwautz. Gefestigte Persönlichkeiten bekommen weniger leicht Essstörungen, da sie sich auch von soziokulturellen Faktoren wie Leistungsdruck, Schlankheitsideal oder Werbebotschaften wenig beeinflussen lassen.
Wichtigster Schritt Akzeptanz
Schlankheitsdiäten führen im Falle einer Essstörungen jedenfalls zu gar nichts. Gleich einem Jo-Jo-Effekt versucht der Körper, verlorenes Gewicht zu kompensieren, krankhaftes Essverhalten verstärkt sich. "Aus dem Teufelskreis kommt man nur noch schwer heraus. Je früher eine Essstörung erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf Heilung", so Karwautz. Der wichtigste Schritt bei der Behandlung ist es, die Essstörung als Krankheit zu akzeptieren und bei ihrer Behandlung auch das Umfeld der Patienten mit einzubeziehen. "Wir bieten ein E-Mail-Service, das immer intensiver in Anspruch genommen wird", berichtet Beate Wimmer-Puchinger, Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien, die seit 1998 mit Kampagnen an der Enttabuisierung dieses Themas arbeitet. Der aktuelle Trend: Die Mehrzahl der Anrufer verlagert sich von den 20- zu den 30-Jährigen.
Gesundheitsschäden