Was passiert eigentlich mit den zigtausenden Videoclips, die mit der Digicam, dem Handy oder einer Videokamera produziert, aber kaum gesehen werden? Eine wachsende Zahl landet im Netz, bei YouTube - so, wie Fotos mit Flickr in den Online-Himmel kommen.

YouTube ist Ende 2005 online gegangen und in wenigen Monaten kometenhaft zu einem der meistbesuchten Video-Websites aufgestiegen: 35 Millionen Videos hat diese neue Form von Internet-Community inzwischen eingesammelt, im Februar schauten rund neun Millionen bei youtube.com in die Röhre, bei MSN Video waren es 9,2 Millionen Besucher (inzwischen hat es wahrscheinlich MSN Video überholt), bei Google Video 6,2 Millionen User.

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Was diese junge Online-Community spannend macht, ist die einfache Möglichkeit, selbst als Produzent tätig zu werden. Ein Konto bei YouTube ist gratis, die Registrierung in ein paar Minuten erledigt - schon bist du dein eigener TV-Produzent.

Videoclips können vom Personal Computer oder Mac über den Browser hochgeladen werden - in maximaler Länge von zehn Minuten. Das geht in einem Internetcafé in Australien ebenso wie am eigenen PC daheim - also steht zum Beispiel der laufenden Urlaubsreportage nichts im Wege.

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Viel ist nicht zu erklären, um YouTube benutzen zu können - die schrittweise Benutzerführung ist selbsterklärend. Den Videos werden Titel, Beschreibung und mindestens ein "Tag" (Stichwort für spätere Kategorisierung) mitgegeben - hochladen, fertig. Anschließend kann man die Adresse des Videos an das Publikum schicken, dass man so versammeln will. Wer einen Blog oder eine Website führt, bekommt den HTML-Code geliefert, den man dort einsetzen muss - dann wird das jeweilige Video auf der eigenen Website eingebettet. Es braucht keine eigene Software, um die Videos abspielen zu können: Sie laufen einfach auf der jeweiligen Webseite im Browser ab.

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Natürlich macht die Möglichkeit, ein Video selbst produzieren und "ausstrahlen" zu können, aus der Masse der Hobbyfilmer noch lange keine Blockbuster-Regisseure (warum ich Ihnen auch einen Hinweis auf eigene Videos erspare).

Wie bei anderen Community-Inhalten im Web ist es meist ein Publikum von fünf bis 50 Zusehern, die der durchschnittliche Videoclip anspricht - die bewegten Bilder von privaten Events, von der Taufe bis zum Geburtstagsfest oder vom letzten Urlaub.

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Wahlweise können die Videos, die man auf YouTube lädt, "public" - also allgemein zugänglich - oder privat sein, nur für ausgewählte Empfänger (die sich registrieren müssen) zum Anschauen.

Statt Videos per Mail zu verschicken und vielleicht an Mailbox-Begrenzungen oder daran zu scheitern, dass am anderen Ende der PC kein Programm zum Abspielen findet, stehen sie online - ein Klick auf den Link in der Mail genügt. YouTube erlaubt seinen Benutzern auch, ein Adressbuch mit den Mailadressen anzulegen, die man von neuen Videos verständigen will.

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In der Masse der für Fremde meist belanglosen privaten Videos ist es immer wieder erstaunlich, welche Kreativität YouTube hervorbringt: Hier finden sich kleine "Experimentalfilme" ebenso wie Videosatire, versteckte Kamera oder Eigenproduktionen, die den Anspruch erfüllen, ein breiteres Publikum zu unterhalten.

Wenn man Zeit hat, sind ein paar Stunden schnell gefüllt mit der Authentizität technisch meist unbefriedigender, dafür mitunter sehr unterhaltsamer Videoclips. "Taxi Orange", "Big Brother": Die besseren Reality-Shows laufen mittlerweile im Netz. (Der Standard Printausgabe, 13./14.5.2006, Helmut Spudich)

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