Ein Konkurs drohe nicht, meint Christian Nowotny, Gesellschaftsrechtler an der Wirtschaftsuniversität Wien. Einige Teilgewerkschaften drängen jedoch auf eine Neugründung des ÖGB.

Der ÖGB und sein Finanzimperium.

Grafik: Standard
"Sicherheit im Wandel der Zeit." Der Slogan am Tonband in der Warteschleife der ÖGB-Telefonzentrale ist im Licht des Bawag-Debakels fast schon originell. Denn sicher ist nur, dass über das von der Regierung geschnürte Bawag-Sicherungspaket mit seinen bis zu 900 Millionen Euro Bundeshaftung für die Bawag P.S.K. bis Montag noch intensiv diskutiert wird.

Der Grund: Die Donnerstag von Ministerrat und parlamentarischem Finanzausschuss beschlossene Version erlaubt erheblichen Interpretationsspielraum und könnte, wie SPÖ und Grüne monieren, das Zeug haben, den ÖGB in Konkurs zu schicken. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen warnte die schwarz-orange Koalition Freitag auch davor, den ÖGB zu "erdrosseln". Der Grund: Die Bundeshaftung wird laut Gesetz erst gewährt, wenn "(. . .) alle direkten und indirekten Eigentümer des Kreditinstituts die Bürge- und Zahlerhaftung bedingungslos und ohne jede Einschränkung übernommen haben; Zweigvereine eines Eigentümers sind diesem zuzurechnen."

Christian Nowotny, Gesellschaftsrechtler an der Wirtschaftsuniversität Wien sieht darin keine Konkursgefahr für den ÖGB. Denn es gehe in dem Passus lediglich darum, dass die Bawag den ÖGB zur Zahlung seiner Bürgschaft auffordere. Der ÖGB werde in der Folge sagen, dass er dazu nicht in der Lage sei, sagte Nowotny im Ö1-Mittagsjournal.

Änderungen möglich

ÖVP-Finanzsprecher Günter Stummvoll war sich der Harmlosigkeit Freitagmittag offenbar nicht mehr so sicher. Er betonte wohl, die ÖGB-Haftung gehe nur so weit, dass Bilanzieren möglich sei, kleinere Änderungen im Gesetz schloss er aber nicht mehr aus.

SPÖ, Grüne und Wirtschaftstreuhänder bleiben dabei: Dem Wortlaut nach müsste der ÖGB samt Teilgewerkschaften und Firmenimperium alles verflüssigen, ehe die Republik ihre 900 Mio. Euro aus der Haftung locker mache, weil die Haftungsübernahme laut § 2 des Gesetzes "nur erfolgen darf, wenn erfolglos die Befriedigung aus der Haftung verlangt wurde".

Damit wäre freilich der gesamte ÖGB samt seinen 13 Teilgewerkschaften lahm gelegt - und ausgeräumt, was auch das operative Aus für die Interessenvertretung bedeuten würde, sagt Grünen-Finanzsprecher Werner Kogler: "Das geht eindeutig zu weit."

Für einige Teilgewerkschaftschefs ist damit klar: Der ÖGB kommt um seine Neugründung nicht herum. Um den operativen Betrieb mit Mitgliederbetreuung und Lohnverhandlungen (der ÖGB ist gesetzlicher Partner der Wirtschaftskammer bei diversen Kollektivvertragsverhandlungen) zu gewährleisten, müsste die Neugründung so rasch wie möglich, tunlichst noch vor dem Kassasturz durch die Oesterreichische Nationalbank, erfolgen, sonst "steht alles", und die 1995 Beschäftigten des ÖGB, seiner Teilgewerkschaften und Landesgesellschaften würden mit in den Konkurs geschickt. Die Neugründung hätte allerdings den Haken, dass die verbliebenen ÖGB-Mitglieder gefragt werden müssten, ob sie Mitglieder bleiben wollen.

Geld für den operativen Betrieb sollte vorhanden sein, denn die Teilgewerkschaften kassieren laufend Mitgliedsbeiträge (2004 waren das in Summe 189,2 Millionen Euro) und bestreiten damit die laufenden Kosten für Administration und Gehälter - und sie führen davon 26 Prozent an die Dachgesellschaft ÖGB ab. Auf jeden Fall weg wäre freilich das Vermögen, über das einige wenige Teilgewerkschaften wie die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Postler und Metaller (noch) verfügen.

Wie viele Mitarbeiter vom ÖGB-Konkurs betroffen wären, war Freitag nicht zu erfahren. Es müssen aber einige hundert sein, gehören zum Finanzimperium doch der ÖGB-Verlag, die Pontes Beteiligung AG (mit EDVg, Pichler Medienvertrieb, Ifes, Bücherzentrum etc.), die ÖGB-Vermögensverwaltung AG, Sotur-Austria Hotels und das Hotel Grimmingblick (siehe Grafik). Hinzu kommen diverse Firmengeflechte der Teilgewerkschaften, allen voran die GPA-Privatstiftung mit ihrer Wohnbauvereinigung und Ablegern im Wiener Gasometer.

Steuergeheimnis

Was sie "wert" sind, müsste das Finanzministerium als oberste Finanzbehörde eigentlich wissen. Denn wohl hat der ÖGB sein Vermögen in diversen Stiftungen geparkt, zwecks Berechnung der Steuern und Abgaben halten die Finanzämter aber Einschau in sämtliche Bücher. Das Flüssigmachen der ÖGB-Stiftungsgelder wird eine Mammutaufgabe. Denn Stiftungen juristischer Personen können, im Gegensatz zu jenen natürlicher Personen, nicht aufgelöst werden. Dazu braucht es laut Rechtsexperten Gerichtsbeschlüsse - oder die so genannten Zusatzurkunden, in denen das Procedere festgelegt sein muss. Sonst geht gar nichts. (Luise Ungerboeck /DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.5.2006)