Nicht mehr nur träumen vom privaten Grün mitten in der Stadt - oben Kleingarten, unten Urbanität in Reinkultur: Dachterrasse in Wien-Josefstadt

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Hotspot für Überflieger: Dachausbau zwischen Oper, Burggarten, Albertina und Ring - wer kaufen will, muss für die Appartements Millionen locker machen

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Wer in der Gründerzeit etwas darstellte im gesellschaftlichen Leben Wiens, der wohnte in der Beletage, und die befand sich im Hochparterre, also ziemlich weit unten. Wer wollte damals schon Stiegen steigen und unter Dach, je nach Jahreszeit, schwitzen oder frieren?

Mittlerweile hat sich das Standesbewusstsein - zumindest in der inneren Geographie der Häuser - auf den Kopf gestellt, weil zwischenzeitlich gibt es Aufzüge und hochtechnologisierte Dämmstoffe, und deshalb befinden sich heute die begehrtesten Wohnungen der Bundeshauptstadt ganz oben, wo früher die Dienstmädchen die Wäsche zum Trocknen aufhängten. Der Ausbau der Dachlandschaft der Bundeshauptstadt setzte in den 70er Jahren ein, eine Liberalisierung der Bauordnung beschleunigte den Prozess, die Schätzungen, wie viele Dachböden mittlerweile ausgebaut wurden, variieren.

50 Prozent ausgebaut

Die MA 19 beziffert den nunmehr bewohnten Anteil der Innenstadtdachböden aus der Gründerzeit mit etwa 50 Prozent, zwischen Ring und Gürtel mit 20 Prozent, in den äußeren Bezirken mit rund zehn Prozent, doch ganz genau kann's keiner sagen.

Auch die Preislagen variieren in der Kolportage heftig, doch steht fest, dass die begehrtesten und damit natürlich teuersten Objekte in der Innenstadt zu finden sind. Offiziell klettern die Preise pro Quadratmeter ausgebauten Dachetablissements hier bis auf 9.000 Euro, inoffiziellen Angaben zufolge sollen allerdings ausgewählte Edel-Schuppen, zum Beispiel in der Nähe der Staatsoper, um bis zu 20.000 Euro pro Quadratmeter an betuchte Wien-Liebhaber gegangen sein.

Doch nichts genaues weiß man nicht, und, zumindest in der Innenstadt, sucht man neben den Klingelknöpfen auch oft vergebens nach den Namen der Bewohner.

Fest steht, dass die Nachfrage nach Dachwohnungen in allen Bezirken steigt, ja laut dem auf die Sanierung von Gründerzeithäusern spezialisierten Bauträger Hans-Jörg Ulreich immer heftiger wird. Er ortet allerdings zugleich ein deutlich gestiegenes Qualitätsbewusstsein der Käuferklientel: "Gute Wohnungen sind gleich weg, schlecht gemachte Ausbauten sind heute nicht mehr verkaufbar."

Teurer Ausbau

Je nach Zustand der Substanz kostet ein Ausbau mindestens 1.200 bis 2.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, die Sanierung einer "normalen" Wohnung kommt im Schnitt etwa auf 600. Der Dachausbau ist also eine vergleichsweise kostspielige - und auch schwierige Angelegenheit, weil man den tatsächlichen Bauzustand des Gebäudes oft erst während der Umbauphase genau einschätzen kann.

Das Gerücht, viele Dachböden würden aus Spekulationsgründen derzeit noch nicht ausgebaut, hält Ulreich für Unsinn: "Die meisten Hausbesitzer haben keine Ahnung vom Ausbau und auch keine Lust dazu."

Tatsächlich hinderlich ist jedoch die vor einem Jahr in Kraft getretene Erdbeben-Norm, die mehrgeschossige Ausbauten derzeit aufgrund erhöhter statischer Erfordernisse exorbitant verteuert. An ihrer Entschärfung wird derzeit jedoch gearbeitet. (Ute Woltron, DER STANDARD Printausgabe, 05.05.2006)