Wien - Am Gletscher auf über 3.000 Meter kommt gerade die Sonne heraus. Er nimmt das Glas, schwenkt es leicht, riecht an dem Weißwein und kostet ihn. Das ist nicht der Wein, glaubt er, den er auf einer Höhe von knapp 1.000 Meter gekostet hat. Der Riesling schmeckt eleganter, fruchtiger, hat mehr Mineralität. Doch es ist Wein aus ein und derselben Flasche. Dergeschmacklichen Unterschied wird durch die Höhendifferenz geschafft. Warum, darüber scheiden sich die Geister.

Für den Geschmackstest haben sich zahlreiche Experten und Winzer am Söldener Rettenbach-Gletscher in Tirol eingefunden, darunter auch der anerkannte burgenländische Winzer Albert Gesellmann aus Deutschkreutz. Organisiert wurde das Event vom Central Spa Hotel in Sölden im Rahmen des alljährlichen "Wein am Berg"-Treffens.

Verschiedene Weine in verschiedenen Höhen

"Ziel war es, verschiedene Weine in verschiedenen Höhen zu probieren", sagt Gesellmann im APA-Gespräch. Getestet wurden drei Weiß- sowie ein Rotwein (ein Riesling aus dem Jahr 2004 vom niederösterreichischen Weingut Hirtzberger, ein Morillon 2002 vom steirischen Weingut Polz, der Süßwein Tramina Beerenauslese 2005 vom burgenländischen Weingut Feiler-Artinger und ein Blaufränkischer 2004 vom Weingut Krutzler aus dem Südburgenland).

Begonnen wird in der 2.780 Meter hohen Bergstation der Gletscherbahn, danach wird in 3.350 Meter weiter verkostet. Zum Schluss probieren die Experten im Tal in Sölden auf 1.370 Meter Höhe. Dabei stellt sich bald heraus, dass es besser ist, einen Weißwein mit auf den Berg zu nehmen, weil dieser in der Höhe eher sein Aroma entfalten kann. Im Tal sei die Frucht nicht so klassisch schmeckbar wie am Berg, meint Gesellmann. "Der Wein war verhaltener." Der Rotwein hingegen sei am Berg sehr fruchtdominierend gewesen, so der Winzer. Dennoch bestätigen die Tester, dass das fast zuviel ist und der Blaufränkische im Tal eher seinem Geschmack gerecht wird.

"Warum speziell der Weißwein so gut ist, weiß man nicht. Hat es mit dem Druck zu tun oder mit der Höhe", fragt sich Gesellmann. Dem Winzer sei auch keine Publikation bekannt, die diesem Phänomen nachgegangen sei. Nachgefragt bei dem Wiener Sozialmediziner Univ. Prof. Dr. Michael Kunze, so meint dieser, dass es am niedrigen Luftdruck liegen kann. "Es könnte sein, dass sich dabei die Aromastoffe im Wein leichter lösen." Dass der menschliche Körper in schwindelnder Höhe den Geschmack des Rebensaftes ändern lässt, daran glaubt der Mediziner nicht. (APA)