Ein Modell der Frühjahrskollektion von Thom Browne.

Foto: Browne-Website

In Sachen Mode haben es Männer nicht gerade leicht. Nachdem sich der metrosexuelle Urtyp schon länger selbst überholt hat, ein Nachfolger aber noch auf sich warten lässt, ist mann in Stilfragen (wieder) mehr auf sich selbst gestellt - und laut der obligaten Umfragen dabei selbstkritischer und unzufriedener denn je.

Vorbilder tun also Not: Eines der eigenwilligsten heißt derzeit Thom Browne, New Yorker Designer mit beträchtlichem Glamourfaktor. Mit seinen unkonventionellen Schnitten ist er zu einem Liebling der internationalen Mode-Crowd aufgestiegen. Dabei können seine Anzüge mit den kurzen Hosen und Ärmeln auf den ersten Blick schon ein wenig befremdend wirken - doch das ist durchaus beabsichtigt. Dass seine Sachen auch einmal ein wenig an Schulbuben mit Streberattitüde erinnern, ebenso.

"Es gab einmal eine Zeit, da waren Jeans und T-Shirt Anti-Establishment. Heutzutage, da das jeder trägt, würde ich eher meine Sachen als Anti-Establishment bezeichnen", erklärt Thom Browne und sieht seine Kollektionen als eine "Alternative zu den momentan vorherrschenden Trends", für Männer, die gut aussehen wollen, aber dabei nicht unbedingt auf die üblichen Luxus-Labels zurückgreifen möchten.

Die internationale Modeszene wurde dennoch schnell auf Thom Browne aufmerksam. Karl Lagerfeld persönlich nannte ihn neben Hedi Slimane (Dior Homme) als jenen Designer, den er am meisten respektiere - ob das auch mit seiner schlanken Linie zu tun hat, ist nicht bekannt. Denn Browne schneidert nur von Größe 0 bis 4. ". . . alles andere sähe bei den Schnitten nicht gut aus. Interessanterweise stehen die Sachen aber mehr Männern, als man vielleicht glauben mag."

Ready-to-wear Linie

Trotz eher schlanker Statur sollte man jedoch ruhig ein wenig kantig sein, um in Brownes Anzügen gut auszusehen. In dieser Hinsicht ist der Designer selbst sein bestes Model. Und er war auch sein erstes. Denn eigentlich versuchte sich Thom Browne zunächst als Schauspieler in Los Angeles. Weil er aber nie Sachen fand, die seinem Geschmack entsprachen, begann er, Vintage-Klamotten nach den eigenen Vorstellungen abzuändern, und entdeckte dabei sein anderes Talent. Er ging nach New York und wurde Designer bei Club Monaco. Und um zu testen, ob und wie sein Geschmack bei anderen ankam, schneiderte er sich zuerst einmal fünf Anzüge. "Ich dachte mir, wenn es mir gefällt, gibt es sicher auch andere." Tatsächlich gab es mehr als genug, und Browne eröffnete 2001 seine eigene Maßschneiderei - wobei die gefertigten Anzüge natürlich vor allem seinen Vorstellungen entsprachen. Indes hat er es zu einer eigenen Ready-to-wear Linie gebracht, doch nach wie vor sind alle Teile handgemacht, weshalb er auch schon einmal Händlerfragen ablehnt, wenn er diese nicht mit seiner Philosophie oder Ästhetik für vereinbar hält. "Wir bevorzugen es lieber weniger zu verkaufen als zu viel. Wir wissen, was wir bewältigen können, und das Letzte, bei dem ich Abstriche mache, ist Qualität."

Qualität, Schnitt, Material

Neben der Qualität und den eigenwilligen Schnitten sind es vor allem die Materialen, die es ihm angetan haben. So schneidert er schon einmal einen Anzug aus grauem Baumwoll-Jersey, mit einem dazupassenden Handtuch als Schal. Auch vor Thermostoff, wie er normalerweise für Sportbekleidung verwendet wird, oder Papier für ein Dinner-Jackett schreckt er nicht zurück. "Ich liebe es, mit den Dingen zu spielen, ich nehme nicht alles so furchtbar ernst." Deshalb stellte er die Models bei der Präsentation seiner kommenden Herbst / Winterkollektion während der New York Fashion Week auch auf Eislaufschuhe und ließ sie auf einem künstlichen Eislaufplatz ihre Runden drehen. "Die Kollektion steht unter dem Zeichen des Wintersports. Und meine Sachen sind alle mit einer solchen Ernsthaftigkeit und Perfektion gemacht, sie auch noch ernsthaft vorzuführen, wäre einfach zu viel des Guten."

Zu viel von allem fand er auch das "metrosexuelle Getue". "Es tut mir Leid, aber für mich war das immer einfach - schwul." (Er muss es wissen.) Sein Rat an die Männlichkeit: "Man sollte sich nicht zu viel damit auseinander setzen, wie man aussieht, und gerade ein Mann sollte nicht so aussehen, als wäre er drei Stunden vorm Spiegel gestanden. Ich hab da immer so ein Bild vor mir - ein Typ, der die Nacht bei seiner Freundin verbracht hat, sich morgens einfach den Anzug schnappt, den er am Tag zuvor anhatte, und trotzdem gut aussieht." Stil, so ist er überzeugt, muss von der Person selbst kommen und nicht aus den Modemagazinen. "Männer, die wissen, wer sie sind und sein wollen, haben zumeist auch ein einzigartiges Gespür für Stil, der nichts mit Trends zu tun hat. Ich kenne alte Männer, die sich seit Jahren nicht verändert haben - weil sie es nicht notwendig haben. Sie sind cool, selbstsicher und authentisch. Das finde ich sehr inspirierend - es ist aber auch sehr selten heutzutage."

Geschichtliche Stilikonen

Deshalb schaut Browne zwecks Inspiration gern ein wenig zurück. (Die Frage, ob seine Vorliebe für kurze Hosenbeine etwa daher kommt, dass er mit sechs Geschwistern aufwuchs und die Sachen seiner älteren Brüder tragen musste, verneint er lachend. "Wir waren immer ganz schick in unseren Flanellhemden und Kakihosen . . .") Vielmehr sind Männer wie John F. Kennedy, der junge Sean Connery oder Steve McQueen zu Zeiten der "Thomas Crown Affair" seine Stilikonen. Dass ihm deshalb mitunter das Label "Retro-Designer" untergejubelt wird, mag er allerdings gar nicht. "Meine Sachen sind absolut nicht retro. Ja, mein Stil ist vom Amerika der 50er- und 60er-Jahre inspiriert. Aber damals waren die Hosen auch nicht so kurz." Ob er nun den persönlichen Geschmack trifft oder nicht - eines muss man Thom Browne lassen - mit seinen kurzen Beinen hebt er sich vom Rest der Modebranche ab. "Entweder man liebt meine Sachen oder man hasst sie - ich finde das gut so und kann mit beidem gut leben." Giorgio Armani hat einmal gesagt, wenn ein Anzug auffällt, ist man schlecht angezogen. Mann sollte das einmal überdenken. (Tina Preschitz/Der Standard/rondo/05/05/2006)