Infografik: Visa-Regime der EU

Die Proteste betroffener Staaten und von Nichtregierungsorganisationen im Vorfeld zeigten Wirkung: Die EU-Innenminister beschlossen zwar prinzipiell die Anhebung der Visagebühren von 35 auf 60 Euro ab 1. Jänner 2007, ließen aber ein Schlupfloch offen. So sollen für Staaten, die Teil der EU-Nachbarschaftspolitik sind, die Gebühren für ein Jahr ausgesetzt werden können. In dieser Zeit sollen diese Länder - von der Türkei über Moldawien bis zu den nordafrikanischen Staaten - Verhandlungen über Abkommen für Visaerleichterungen beginnen. Bestandteil ist aber auch eine Verpflichtung zur Rücknahme illegal in die EU Eingereister. Wenn diese Verhandlungen über Visaerleichterungen bis 31. Dezember 2007 beendet sind, ist die Erhöhung für die Angehörigen dieser Staaten hinfällig.

Wie Innenministerin Liese Prokop betonte, sollen auf Wunsch der österreichischen EU-Präsidentschaft die Länder des Westbalkan bevorzugt behandelt werden. "Die Westbalkanstaaten sollen in erster Linie beachtet werden", sagte Prokop. Die EU-Kommission soll nun eine Liste von Staaten erarbeiten, für die Visaerleichterungen - und damit niedrigere Gebühren - in Frage kommen. Prokop erwartet den Fahrplan für Visaerleichterungen bis Jahresende. Der Beschluss soll damit unter der finnischen EU-Präsidentschaft vorgelegt werden.

Bereits ausverhandelt ist ein Abkommen über Visaerleichterungen mit Russland. Die Gespräche mit der Ukraine sind schon am laufen, sodass Angehörige beider Staaten die höheren Gebühren nicht zahlen müssen. Kroatien ist, wie die Schweiz, generell vom Visazwang ausgenommen.

Keine Visagebühr für Forscher

Die EU-Innenminister haben aber nicht nur eine Erhöhung der Gebühren beschlossen, sondern auch Erleichterungen. So soll für Angehörige von allen Staaten außerhalb der EU künftig gelten, dass Kinder bis sechs Jahre, Studenten, Schüler, Begleitlehrer und Wissenschafter, die zu Forschungszwecken in ein Mitgliedsland kommen, keine Visagebühr fällig ist.

Außerdem soll in Einzelfällen jeder Mitgliedsstaat entscheiden können, ob die Visagebühr entfällt oder gesenkt wird, wenn dringende humanitäre, außenpolitische, entwicklungspolitisches, kulturelles oder öffentliches Interesse besteht. Dies kann bei einem Musiker, der ein Konzert gibt, oder einem Sportler der Fall sein.

Gegen die Erhöhung der Visagebühren hatten sich im Vorfeld unter anderem Griechenland, Ungarn und Schweden ausgesprochen. Deutschland und Frankreich wollten enger gefasste Ausnahmen, sind aber in den vergangenen Tagen auf Kompromisskurs eingeschwenkt. Proteste kamen insbesondere von den Westbalkan-Staaten, aber auch vom EU-Koordinator des für den Südosteuropa-Stabilitätspakt, Erhard Busek, der die finanziellen Belastungen kritisiert hatte. Die Anhebung der Visagebühren ist nach Ansicht der EU-Staaten wegen der Einführung biometrischer Merkmale in den Anträgen ab 2007 und der dadurch entstehenden höheren Kosten notwendig.

Gemeinsame Abschiebungsflüge

Die EU-Staaten haben am Donnerstag auch den ersten praktischen Schritt zu gemeinsamen Abschiebeflügen für Schubhäftlinge in Charterflugzeugen beschlossen. Nach Angaben von Prokop soll der erste gemeinsame Flug noch vor Ende Juni stattfinden, Österreich werde dabei die führende Rolle übernehmen. Die Flüge werden von der Grenzschutzagentur der EU - genannt Frontex- in Warschau organisiert.

In den nächsten Wochen wird der Bedarf in den Mitgliedsstaaten eruiert, wo der erste Flug hingehen soll. Ob der Flug von Wien oder Brüssel aus starten, mehrere EU-Staaten abfliege und dann sein Ziel ansteuere, sei noch nicht klar, sagte Prokop. 80 Prozent der Kosten von solchen Charterflügen übernimmt die EU-Kommission, der Rest wird nach Kommissionsangaben von den Mitgliedsstaaten finanziert.

Im Vorjahr sind 1875 Personen aus Österreich abgeschoben und einige davon in acht extra dafür gecharterten Flugzeuge außer Landes gebracht worden. Die Begleitbeamten werden für diese Aufgabe extra ausgebildet. Die nächste Maschine aus Österreich startet am Samstag. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2006)