Marco Pedrelli verfügt über Vertrauen erweckende Leibesfülle, was bei den feinen Dingen, die er kocht, nicht wirklich verwundert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Mörwald im Ambassador von innen...

Foto: Gerhard Wasserbauer

Als Christian Domschitz der zum Großbetrieb gewachsenen Firma Mörwald den Rücken kehrte, um fortan (konkret: ab 15. Mai) im grandiosen Dekor des "Schwarzen Kameels" für angemessene Gaumenfreuden zu sorgen, war im Hotel "Ambassador" am Neuen Markt ziemlich plötzlich Not am Mann. So von heute auf morgen einen Küchenchef aus dem Hut zu ziehen, der das hauptstädtische Outlet entsprechend prestigeträchtig bekochen würde, das war auch für ein Stehauf-Manderl wie Toni Mörwald nicht ohne. Als hilfreich erwiesen sich schließlich die Kontakte Leonhard Cernkos, des jugendlichen Mörwald-Stars vom wunderbaren "Kloster Und" in Krems, aus dessen Zeit bei der deutschen 3-Stern-Legende Heinz Winkler: Er konnte seinen einstigen Brigade-Kollegen Marco Pedrelli überreden, nach Wien zu kommen - und erstmals als Küchenchef zu agieren.

Der 29-jährige Pedrelli stammt aus der Nähe von Cesena, verfügt über eine durchaus Vertrauen erweckende Leibesfülle und besteht darauf, "mit der italienischen Küche nichts am Hut" zu haben. Preislich liegt das "Ambassador" nun im absoluten Premium-Segment der Wiener Gastronomie, unter € 22 wird man (außer einer Suppe) nicht einmal eine Vorspeise bekommen, bei den Hauptgängen klopft man schnell an den € 35 an.

Enten, Wachteln und Tauben aus der Bresse

Dafür wird man vom selten angenehmen Service unter Mino Zaccaria und Sommelier Michael Ross umhegt und darf sich auf allerfeinste Grundprodukte vornehmlich französischer Provenienz freuen: Enten, Wachteln und Tauben kommen ausnahmslos aus der Bresse oder den Dombes, jenen Regionen nahe Lyon, wo seit Jahrhunderten das wunderbarste Geflügel, das man sich denken kann, gezüchtet wird. Die als Vorspeise mit einer hochklassigen Gansleber-Praline kalt aufgeschnittene Taubenbrust macht dann auch deutlich, warum der friedliebende Vogel für viele das beste Fleisch schlechthin hat: saftig, zart, fettarm und dennoch voll wonnigem Aroma, das auch nach Minuten nicht vom Gaumen weicht. Rindfleisch kommt aus dem Limousin, das grandiose Milchlamm mit knackigen Artischocken aus Pauillac, wo die Schafe in einigen der feinsten Weingärten der Welt grasen. Da ist es doppelt beschämend, wenn eines der wenigen als österreichisch deklarierten Produkte, der Zuchtsaibling vom sonst so zuverlässigen Gut Dornau, geradezu penetrant nach Teichschlamm schmeckt.

Die Exekution ist, bis auf ein schlampig pariertes und restblutig gebratenes Kalbsbries in Madeira tadellos, bei der Komposition der Speisen wird man sich nach der Akklimatisierung Pedrellis wohl noch einiges an Raffinement erwarten dürfen. Wer im Wintergarten sitzt, genießt den unverändert prächtigen Blick auf den Neuen Markt, dem zweiten Raum mit der Aussicht in die Küche merkt man die Jahre seit der Eröffnung freilich an. Die geschmäcklerische Kombination aus Stahl und Glas mit tantenhaftem Kristallluster, der protzige Wein-Kühlschrank als Blickfang, die peinlichen Teller mit dem goldfarbenen Fingerabdruck Mörwalds - all das bittet schon sehr deutlich um eine Runderneuerung.
(Severin Corti/Der Standard/rondo/28/04/2006)