derStandard: Welches Ziel hat das Euratom-Programm?

Hauhart: Der Euratom-Vertrag wurde 1957 mit der Zielsetzung unterzeichnet, die europäischen Forschungsprogramme rund um die Atomenergie zu koordinieren und zu finanzieren. Der Vertrag ist seither kaum verändert worden, die "Bildung- und Entwicklung der Kernindustrien in Europa" ist wörtlich Grundziel des Vertrages. Dieses Ziel ist natürlich mit der Anti-Atom-Politik Österreichs und mit der Position der ÖsterreicherInnen zur Atomenergie nicht vereinbar. Auch wenn im Euratom-Vertrag einheitliche Sicherheitsnormen und der Gesundheitsschutz der Bevölkerung festgechrieben ist, bedeutet dies nur den Versuch, eine Bedrohung zu mindern, die man letztlich selbst verursacht hat.

derStandard: Es wird argumentiert, dass die Atomenergie die einzige kosteneffektive Energiequelle sei, die die CO2-Emissionen weltweit zurückdrängen und gleichzeitig die steigende Energienachfrage befriedigen kann.

Hauhart: Das ist der Hype, der jetzt wieder aufzuleben droht. Die Atomenergie soll als klimafreundlich und somit umweltschonend verkauft werden. Was ja nicht stimmt, allein, wenn man sich die Uranerzeugung anschaut, von der Endlagerung ganz zu schweigen. Diese Energieversorgungsform 20 Jahre nach Tschernobyl als umweltfreundlich und zukunftsträchtig zu bezeichnen, ist meiner Meinung nach keineswegs gerechtfertigt.

derStandard: Was ist mit dem Argument, dass die Atomenergie ein Weg sei, um unabhängig von den Ländern des Nahen Ostens mit ihren Ölvorkommen zu werden, die ja irgendwann zu Ende gehen werden?

Hauhart: Ob ich von einem Land abhängig bin, das Uran liefert oder das Öl liefert, ist meiner Meinung nach das gleiche Übel. Die Atomenergie ist hier keine Alternative. Aber die erneuerbaren Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz wären geeignete Alternativen. Vorhandene Energie muss besser genutzt werden. Wenn man hier einen Bruchteil der Fördermittel investieren würde, die sonst in die Förderung fossiler Energien oder der Atomenergie fließen, wären wir sicher bedeutend weiter und hätten eine unabhängige Versorgungsmöglichkeit.

derStandard: Umweltminister Pröll betont, dass Österreich eine führende Position bei erneuerbaren Energien einnimmt und damit eine Vorbildrolle in der EU spiele. Sehen Sie das auch so?

Hauhart: Die führende Position bei den erneuerbaren Energien verdanken wir dem Ausbau der Wasserkraft, die aber gleichzeitig viele ökologische Probleme mit sich gebracht hat. Die Vorbildrolle beginnt aber längst zu bröckeln. Mit dem Steigen des Energieverbrauches wird auch wieder auf den Einsatz von Kohle zurückgegriffen, weil die Stromerzeugung so billiger ist. Die vorliegende Novelle des Ökostromgesetzes wird außerdem den Ausbau erneuerbarer Energien massiv torpedieren, beziehungsweise sogar einstellen. Damit ist die Vorbildrolle passé.

derStandard: Die SPÖ wirft der Regierung eine Verstrickung mit der Atomlobby vor, teilen Sie diese Ansicht?

Hauhart: Dazu kann ich keine Aussage machen. Was allerdings wünschenswert wäre, ist, dass die EU-Präsidentschaft die Initativen, die vor Beginn im Bereich der Energiepolitik angekündigt wurden, auch wirklich setzt.

derStandard: Der Umweltdachverband fordert einen Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag. Ist das überhaupt möglich?

Hauhart: Prinzipiell möglich wäre ein gemeinsamer Beschluss der EU-Nationen. Unter Außernministerin Ferrero-Waldner gab es zumindest schon so etwas wie eine Willenserklärung, das anzudiskutieren. Im Zuge der Vorbereitung des EU-Verfassungsvertragstextes sollte es eine Konferenz geben, bei der ein Auslaufen des Euratom-Vertrages zum Thema gemacht werden sollte. Ein alleiniger Ausstieg Österreichs wäre vermutlich nicht möglich, aber auch nicht sinnvoll. Was haben wir davon, wenn rundherum Atomkraftwerke weiter gefördert werden? (mhe)