Wien - Die Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission haben "offensichtliche Fehler" begangen und "die Grenzen ihrer Kompetenzen überschritten." Mit diesen harten Worten hat der Europäische Gerichtshof Erster Instanz vor vier Jahren das Brüsseler Veto gegen die Fusion zweier britischer Reiseveranstalter kritisiert und aufgehoben. Bald darauf entschied der Gerichtshof gegen eine weitere Wettbewerbsentscheidung des EU- Wettbewerbskommissars Mario Monti, nämlich der untersagten Fusion der französischen Elektronikkonzerne Schneider und Legrand.

Während es für den US- Softwareriesen Microsoft geht es im Gerichtsverfahren, das am Montag in Luxemburg begonnen hat, um sehr viel Geld geht, steht für die EU-Kommission vor allem ihre Reputation auf dem Spiel. Eine Niederlage im Microsoft-Verfahren wäre ein schwerer Schlag für Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die mit großem Elan die Arbeit ihres Vorgängers Monti fortsetzt.

Der Ausgang des Verfahrens ist nach Meinung von Rechtsexperten offen. Denn die Kommission hatte sich sowohl mit der grundsätzlichen Entscheidung gegen Microsoft im März 2004 und der Rekordstrafe von 497 Mio. Euro juristisch weit herausgewagt.

Verfahrensfehler

"Angesichts des riesigen Anwaltsteams, das Microsoft beschäftigt, ist es durchaus denkbar, dass ein Verfahrensfehler entdeckt wird," sagt Raoul Hoffer, Kartellrechtsexperte bei der Anwaltskanzlei Binder Grösswang, dem STANDARD. "Die Kommission hat auch in der Vergangenheit Probleme bei wirtschaftlichen Bewertungen gehabt." Die Juristenteams in Brüssel gelten als zu klein, um die konkreten Folgen von Wettbewerbsentscheidungen präzise abzuschätzen und zu begründen.

Sollte das Gericht Microsofts Argumenten folgen, wäre die Konsequenz wohl eine deutliche Verringerung der Strafe. Das wäre für die Kommission ein deutlich besseres Ergebnis, als wenn die Richter den Missbrauch der Marktmacht durch Microsoft in Frage stellen, meint Hoffer. Dies sei weniger wahrscheinlich, da Microsoft durch ihre früheren Kooperationsvorschläge, die der Kommission allerdings nicht weit genug gegangen sind, eine gewisse Einsicht gezeigt hatte.

Bei einem Sieg der Kommission müsste hingegen Microsoft mit weiteren Schadenersatzklagen ihrer Wettbewerber, etwa Sun Microsystems, rechnen. Sie könnten auf Grundlage des Urteils auf "Behinderungsmissbrauch" klagen. Dies könnte für Microsoft zwar wieder teuer werden, aber kaum die Marktmacht von Windows gefährden. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.4.2004)