Traditionspflege

ist für Mercedes, seines Zeichens Erfinder des Automobils, nichts Neues. 1923 wurde das erste Museum eröffnet, und zu Zeiten heranwachsender automobiler Parvenüs aus Asien setzte man als Erster erfolgreich auf den Traditions- und Imagefaktor. Das neue Mercedes-Benz-Museum, direkt neben dem Werk in Stuttgart-Untertürkheim, löst nun das 1961 eröffnete ab.

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Angela Merkel,

Deutschlands erste Kanzlerin, wird das neue Prestige-und-Protz-Haus eröffnen. Am 19. Mai, nach knapp drei Jahren Bauzeit. Die Planungen begannen vor zehn Jahren, die Entscheidung fiel März 2002 nach dem Architektenwettbewerb.

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Der

realisierte Entwurf ist ein kongeniales Instrument zur Kommunikation der Markenwerte. Eine moderne Raumskulptur als Zeitmaschine: oben die Geburt des Autos, unten dessen Zukunft, acht Etagen Kulturgeschichte des Automobils.

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Für den Bau

zeichnet das niederländische Architektenteam UN studio verantwortlich, hinter dem die Architekturzelebritäten Ben van Berkel und Caroline Bos stehen. Sie sorgten dafür, dass nirgendwo eine gerade Fläche zu finden ist, der generell vorherrschende Schwung soll auf die Dynamik des Themas verweisen.

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Hausherr

Max-Gerrit von Pein, oberster DaimlerChrysler-Traditionspfleger, hat mit diesem Haus viel vor. So erwartet er jährlich 750.000 Besucher, in den ersten Monaten "sicherlich deutlich mehr als später im Schnitt", erläuterte er bei der Pressepräsentation.

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Grund

für den Optimismus: Schon ins alte Museum kamen jährlich eine halbe Million - meistbesuchtes Firmenmuseum der Welt. Glückliches Timing spielt auch eine Rolle: Der Konzern muss sparen, ein Projekt dieser Größenordnung würde heute wohl nicht mehr abgesegnet, 50 Mio. € verschlang der Ausbau des Museums.

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Konzeptuelle Grundidee,

erläuterte Tobias Walliser vom UN studio, sei die DNA-Doppelhelix. Nur, dass hier Erbgut (und Evolution) des Automobils gemeint sei. Konkret bewegen sich zwei gegenläufige Spiralen von oben nach unten. So, als würde man Frank Lloyd Wright's Guggenheim-Museum in New York spiegeln und verkehrt rum gegen sich selbst laufen lassen. Es spielen aber auch Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie Berlin eine baugenetisch fixierbare Rolle und das Centre Pompidou in Paris.

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Endergebnis

ist ein komplexer, markanter Baukörper, der die Geschichte des Erfinders des Automobils von 1886 bis in die Gegenwart erzählt und den Besucher mit einem Ausblick auf die nähere Zukunft der Mobilität wieder ins wirkliche Leben entlässt. Außen dominieren Glas und Alu. Sieht aus, als wäre ein mehrstöckiges Ufo gelandet.

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Auch

eine Zukunft der Mobilität. Nach oben gelangt man über einen der Lifte im zentralen, luftigen, 40 m hohen Atrium, der viele Sichtbeton liegt auch im Trend. Das Atrium bildet das Zentrum eines dreiblättrigen Kleeblatt-Grundrisses, auf dem sich die beiden Spiralen nach unten zu bewegen.

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Eine

davon zeigt die Historie in sieben Mythos-Räumen, z. B.: Pioniere - Erfindung des Automobils 1886-1900; Mercedes - Geburt der Marke 1900-1914; Wunderjahre - Form und Vielfalt 1945-1960. Die andere beherbergt fünf "Galerien": Reisen, Lasten, Helfer, Namen, Helden.

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Das Ganze

mündet in den Mythos-Bereich Silberpfeile - Rennen und Rekorde. Jeweils reich illustrierte Chronik der Unternehmens- und Zeitgeschichte mit den Fahrzeugen der Ära, konsequent inszeniert im Stil der jeweiligen Zeit.

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Gewürdigt

wird übrigens auch die Historie des Lastwagens, schließlich ist man größter Nutzfahrzeughersteller der Welt. Und das Museum ist nur ein Teil der neuen "Mercedes-Benz-Welt": Gleich daneben wird ein neuer Flagship-Store eröffnet. Verbunden sind beide Gebäude durch eine 80 Meter lange Passage, mit Mercedes-Shops und Gastronomie. (Andreas Stockinger, AUTOMOBIL, 21.4.2006)

Link
Mercedes-Benz Museum

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