Auch Rudolf Nürnberger verlässt den ÖGB

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Rudolf Nürnberger sagte im "Kurier", dass ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen sei. Aber "die ganze Misere, alles was passiert ist, das hat mich tief getroffen. Ich pack' das Ganze seelisch nicht". Die Auseinandersetzungen um die BAWAG, den neuen ÖGB-Vorsitz und die Reform hätten ihm persönlich enorm zugesetzt. Und "letztlich gab es für mich auf der Haben-Seite nichts, warum ich hätte bleiben sollen", so Nürnberger.

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Die Ära der großen roten alten Männer im ÖGB ist Geschichte. Nach Fritz Verzetnitsch und Hans Sallmutter verlässt mit Metallerchef Rudolf Nürnberger der "Königsmacher" die Bühne. Der mächtige Grummler hinterlässt ein Vakuum in der Gewerkschaft, in das Nachfolger drängen.


Wien – Der Abgang war typisch: Grummelnd, schweigend, machtbewusst. "Ich wüsste nicht, wer mir internen Druck geben soll", grantelte Rudolf Nürnberger Journalisten an, die Hintergründe seines überraschenden Abgangs erfahren wollten. Die Botschaft war klar: Niemand in der Gewerkschaft hat einem Nürnberger etwas anzuschaffen – dort hat er das Sagen.

In der Tat war es nicht jemand, sondern etwas, das den Tarockpartner Alfred Gusenbauers nach rund 18 Jahren an der Spitze der Metaller-Gewerkschaft den Abschied nehmen ließ: Die Bawag-Affäre. Nürnberger braucht in seiner wortkargen Art für die Beschreibung der Folgen der Bawag-Krise einen Satz: "Der ÖGB ist in seiner schwierigsten Situation seit Bestehen."

Führungstrio und Dreierfeindschaft

Denn Heuschreckenkapitalismus ist dem in der Wolle gefärbten Arbeitergewerkschafter Nürnberger so zuwider wie Maßanzüge. 34 Jahre war Nürnberger in der Gewerkschaft – zu lange, um die notwendige Reform umsetzen zu können: Dafür brauche es, meint Nürnberger, "jüngere Personen". Also geht der 60-Jährige. Im Parlament sind die Nürnberger-Reden im breiten Wienerisch seit 2004 nicht mehr zu hören, im ÖGB wollte er aber noch bis 2007 bleiben.

Nürnbergers Abschied macht das Ende der drei großen alten Männer im ÖGB komplett: Hans Sallmutter, Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, hat sich im Vorjahr in die Pension verabschiedet, ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch stolperte über die Bawag. Das Führungstrio verband nicht nur das gemeinsame Alter, sondern auch gepflegte Dreierfeindschaft: Nürnberger fand Verzetnitsch zu zögerlich. Seine Aversion gegen den ÖGB-Chef ging so weit, dass Nürnberger sich vorübergehend mit Sallmutter auf eine Fusion ihrer Gewerkschaften einigte – nur kurz, dann stritten auch Nürnberger und Sallmutter wieder.

Protest in Gremien

Das lag auch am unterschiedlichen Politikzugang der beiden: Sallmutter war das öffentliche sorgenfaltige Gesicht der Pensions-Proteste des ÖGB – Nürnberger hingegen hat seinen Kontra-Bass gegen Pensionskürzungen in den Gremien hören lassen: Damals, im Jahr 2000, als Rot und Schwarz über eine Pensionsreform verhandelten – und Nürnberger den Koalitionspakt partout nicht unterschreiben konnte und wollte.

Das ist Geschichte, wie Nürnberger selbst. Seinen Nachfolger an der Spitze der Metallgewerkschaft hat er selbst ausgesucht: Erich Foglar, langjähriger Metaller, schweigsam, und seit Kurzem ÖGB-Finanzchef. Auch die Fusion der Gewerkschaft Metall/Textil mit Agrar/Nahrung ist auf Schienen. Wer Nürnbergers Rolle als Chef der roten Gewerkschafter einnimmt, ist offen. Ambitionen werden Eisenbahner Wilhelm Haberzettl und GPA-Chef Wolfgang Katzian nachgesagt. Wer auch das Rennen macht: Es wird die erste Personalentscheidung seit Jahrzehnten im ÖGB sein, bei der "Königsmacher" Nürnberger nicht die Fäden zieht. (Eva Linsinger/DER STANDARD, Printausgabe, 19.4.2006/(APA)