Adidas' Skikollektion ist unverkennbar aus McCartneys Hand

Foto: Adidas/A. Gnädinger

Y-Silhouette, gedeckte Farben und ...

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... und ziemlich sexy.

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Aspen, Colorado. Stella McCartney lanciert die neue Adidas-Skikollektion, auf einer Ranch oben in den Bergen. Sie trägt Schneestiefelchen aus der eigenen Kollektion, trinkt Tequila und zieht später mit Freunden durch die Clubs von Aspen. Einen Tag später, im Konferenzraum des noblen, in dunklen Hölzern gehaltenen Hotel St. Regis: Stella McCartney sitzt schon da, in einem der großen, weichen Polsterfauteuils. Sie sieht aus wie kleine Schwestern aussehen sollten: spitzbübisch, mädchenhaft, zuckersüß. Sie trägt die selben Schneestiefel wie am Tag zuvor.

Der Standard: Stella, sind Sie hier in Aspen auch Ski fahren gewesen?

Stella McCartney:  Nein, ich wollte, ich habe jedoch einfach keine Zeit. Aber ich muss zugeben: Eine wirklich gute Skifahrerin bin ich nicht. Skifahrerin - das klingt eigentlich bereits übertrieben.

Der Standard: Sie designen Sportkollektionen und sind nicht wirklich sportlich?

Stella McCartney: Ich mag Sport, aber fanatisch bin ich nicht, das stimmt. Sie wissen ja, dass ich auf dem Land aufwuchs (auf einer Farm in Sussex, Anm.) und meine Kindheit eigentlich ständig draußen im Freien verbrachte. Meine Eltern hatten Pferde, ich bin geritten, da war ich fanatisch. Ich liebe Pferde. Heute schwimme ich auch und spiele Tennis.

Der Standard: Reitermode würde da aber besser zu Ihnen passen.

Stella McCartney: Das würde ich auch wahnsinnig gerne machen. Aber Adidas stellt nun einmal keine Reitermode her.

Der Standard: Aber Skimode. Liegt Ihnen die nicht ziemlich fern?

Stella McCartney:  Nein, gar nicht. Die paar Mal, als ich selbst Ski gefahren bin, fand ich Skimode fürchterlich. Da waren diese kleinen, engen Taschen überall auf den Overalls, Looks, die irgendwo in den Achtzigern oder Neunzigern stecken blieben und einfach nicht die Kurve gekriegt haben. Warum kann Skimode nicht auch chic sein? Warum diese Farben? Warum ständig Schweinchenrosa und Babyblau? Das will doch keine Frau tragen.

Der Standard: Sie bringen dafür jetzt unter anderem schwarze Skileggings auf den Markt.

Stella McCartney:  Eines meiner absoluten Lieblingsteile. Genau sie haben bisher gefehlt. Sie sind genau so, wie ich mir weibliche Sportmode vorstelle: einfach, aus tollen, leichten und innovativen Materialien, auf kleinem Platz zu verstauen - und sexy.

Der Standard: Sexy. Das ist wichtig für Sie. Wissen Frauen besser, was das ist?

Stella McCartney: Ich bin davon überzeugt. Ich weiß, was ich selbst mag. Männer müssen immer um die Ecke denken: Wenn ich eine Frau wäre, denken sie, was würde ich dann mögen? Ich habe mit männlichen Designern über diese Frage diskutiert, und sie haben mir Recht gegeben. Frauen sind näher an Frauen dran.

Der Standard: Wird das Modegeschäft allgemein zu sehr von Männern dominiert?

Stella McCartney: Weniger als das in anderen Bereichen der Fall ist. Ich selbst arbeite fast ausschließlich mit Frauen. Ich wäre froh, wenn ich auch einige Männer in meinem Team hätte - schon allein wegen der Balance. Aber es stimmt: An der Spitze befindet sich sehr oft ein Mann, hinter ihm arbeiten dann aber fast ausschließlich Frauen. Dieses Frau-Mann-Ding geht mir aber schön langsam auf die Nerven.

Der Standard: Sie sind eine sehr offene Person, man hört aber, dass Sie keine Interviews mögen. Warum haben Sie Probleme mit Journalisten?

Stella McCartney: Ich muss Interviews geben, das gehört zum Job, aber man kann auch zu viele geben. Das versuche ich zu vermeiden. Wen würden dann meine Interviews noch interessieren? Aber es stimmt: Man muss bei Journalisten aufpassen, sie können kleine, fiese Biester sein.

Der Standard: Hat das auch mit Ihrem familiären Hintergrund zu tun?

Stella McCartney: Sehen Sie, ich bin eine ehrliche Person, aber mein Gegenüber oftmals nicht. Deswegen bin ich vorsichtig geworden. Im Übrigen sollten sich die Journalisten einmal selbst fragen, warum man hin und wieder nicht gern mit ihnen redet.

Der Standard: Sie designen für Adidas, arbeiteten mit H&M und haben ihre eigene Pret-à-Porter-Linie. Gibt es da überhaupt noch Unterschiede zwischen den Kollektionen?

Stella McCartney: Adidas hat doch mit meiner eigenen Linie nichts zu tun. Hier geht es um Sport, ich verwende ganz andere Materialien, die Kleidung entspricht einem ganz bestimmten Zweck. Sieht man sich andere Kollaborationen von Designern mit Sportmodeherstellern an, dann verschwinden wirklich die Unterschiede.

Der Standard: Macht der Preis den Unterschied?

Stella McCartney: Ich bin nicht Modedesignerin, um fürchterlich teure Mode herzustellen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich halte es für eine Herausforderung, die neusten und besten Materialen zu verwenden, die man derzeit kriegen kann, und trotzdem preislich okay zu bleiben. Auch bei meiner eigenen Linie ist es ja so, dass die Preise recht unterschiedlich sind. Aber die Qualität hat auch ihren Preis, das ist bei Mode genauso wie bei Sofas oder Fern- sehern.

Der Standard: Designermode ist nicht gezwungenermaßen von besserer Qualität.

Stella McCartney: Mode wird noch eine harte Zeit erleben, eben wegen ihres hohen Preisniveaus. Ich bin nicht sicher, ob die Preiskalkulationen in diesem Bereich so geschickt sind. Jeder trägt doch Kleidung. Wenn ein Kaschmirpullover mehr kostet als ein Baumwollsweater, dann kriegt man auch mehr um sein Geld. Viele Preise scheinen mir aber nicht mehr gerechtfertigt.

Der Standard: Was bringt Ihnen eigentlich die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie H&M oder Adidas?

Stella McCartney:  Natürlich gibt es dafür finanzielle Gründe. Aber das ist nicht mein persönlicher Grund, warum ich mit den genannten Firmen zusammenarbeite. Wenn's nur ums Geld ginge, müsste ich andere Sachen machen, Angebote hätte ich genug. Der Grund ist: Sportkleidung für Frauen sieht so aus, als ob sie für Männer gemacht wäre. Nichts sitzt, die Farben sind grauenhaft. Ich wollte neben meinen eigenen Kollektionen einfach auch sexy Sportkleidung machen.

Der Standard: Dabei sind Sie seit eineinhalb Jahren auch noch Mutter. Wie kriegen Sie das alles hin? McCartney: Ich muss meinem Team danken. Ich arbeite sehr zeiteffizient - an den Adidas-Kollektionen wie an meinen eigenen. Es geht darum, die einzelnen Teams so gut wie möglich zu koordinieren. Und das funktioniert derzeit sehr gut.

Der Standard: Und die Familie? Hat man mit so vielen unterschiedlichen Verpflichtungen noch Zeit für sie?

Stella McCartney: Das ist die wichtigste Sache überhaupt. Wenn ich das nicht mehr hinkriege, dann müsste ich mein Leben radikal ändern. Wobei: Genug Zeit hat man als Mutter nie.

Der Standard: Hat ihre Mutterschaft ihre Einstellung zu Mode geändert?

Stella McCartney: Nicht wirklich, ich habe mir auch nie Gedanken über Umstandsmode oder dergleichen gemacht. Die Mutterschaft hat mich persönlich verändert - und: Ich nehme meine Bauchfalten etwas genauer wahr.

>>> Zur Person: Moonwalk: Stella für Adidas

Moonwalk: Stella für Adidas

Als Stella McCartney 1997 aus dem Nichts zur Chefdesignerin von Chloé aufstieg, war sie gerade einmal 25. Gut, sie war die Tochter eines Beatles, die Freundin von Film-Diven wie Gwyneth Paltrow, sie sah gut aus und hatte auf der Renommierschule für angehende Modedesigner, dem Londoner Saint Martins College, studiert. Aber qualifizierte sie das bereits zur Nachfolgerin von Karl Lagerfeld bei Chloé? Jetzt, einige Stationen und viele Kollektionen weiter, gibt es kaum noch jemanden, der das Talent McCartneys anzweifelt. Chloé machte sie wieder sexy, ihr 2001 gegründetes eigenes Prêt-à-porter-Label (unter dem Dach der Gucci-Gruppe) definiert regelmäßig die Trends der Saison mit.

Ungemeine Publicity bekam die erklärte Pelz- und Ledergegnerin durch die Kooperation mit H&M im vergangenen Herbst und durch die gerade bis 2010 verlängerte Zusammenarbeit mit Adidas. "adidas by Stella McCartney" ist eine der erfolgreichsten Kapselkollektionen einer Designerin, und das mittlerweile in einer ganzen Reihe von Sportbereichen. Neben der Lauf-, Fitness-, Schwimm- und Tenniskollektion wird es nun im Herbst erstmals auch eine Skikollektion geben, und zwar mit den für Stella Mode so typischen Eigenschaften: Weite Silhouette oben, schmal unten, gedeckte, auf die übrige Kollektion abgestimmte Farben und viele kleine Details. Neben einem Ganzkörperanzug, wattierten Jacken und Hosen und Après-Ski-Teilen gibt's einen Moonboot mit herausnehmbarem Innenschuh und hohe, knüpfbare Stiefeln. Ab dem Spätsommer im exklusiven Sporthandel erhältlich. (hil, DER STANDARD, Printausgabe vom 14.4.2006)