"Da greift man sich an den Kopf, dass es das überhaupt gibt": Österreichs Unis sind empört über die Auswirkungen des neuen Fremdenrechts auf ihre internationalen Kontakte.

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Wien - Frau J. hat an der TU Wien die Zulassung für ihr Doktoratstudium erhalten. Ab 1. Jänner 2005 sollte sie im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes zu arbeiten beginnen. Sollte, denn Frau J. ist Iranerin - und damit begannen die Probleme. Als Angehörige eines "sichtvermerkspflichtigen Drittstaates" (Staaten, die nicht zum europäischen Wirtschaftsraum gehören und Visum brauchen), bekam sie das neue, seit 1. Jänner 2006 geltende Fremdenrecht in voller Härte zu spüren. In ihrem Fall bedeutete das eine Odyssee, nach der sie am 1. März 2006, mit 14 Monaten Verspätung, in das Projekt einsteigen konnte.

"Unzumutbar", empört sich der Vizerektor der TU Wien, Hans Kaiser. Als Vorsitzender des "Forum Internationales" in der Rektorenkonferenz kennt er viele Fälle, für die das neue Fremdenrecht "eine starke Behinderung" war: "Es ist eine Zumutung. Es konterkariert alle Bemühungen um internationale Mobilität und enttarnt die Worte der Politiker als Lippenbekenntnisse."

Wenn ein Gastprofessor ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müsse, wie nun gefordert, "dann ist das eine Frechheit", sagt Kaiser zum STANDARD: "Das sind wissenschaftliche Kontakte, die man hat, keine Fremden." Empörend sei auch, wenn ein südafrikanischer Professor, der in der Projektendphase dringend in Wien gebraucht würde, wegen des Gesetzes nicht schnell genug kommen konnte. Er nutzte seine Kontakte zu einer deutschen Uni, reiste problemlos nach Deutschland und von dort als Schengen-Begünstigter nach Wien. Auch in Pakistan sitzen hoch qualifizierte Forscher, die man in Österreich dringend erwartet.

"Unfreiwilliger Experte" für das "heißeste Teilpaket und die härteste Spezialfrage" ist Johann Trummer, Liturgieprofessor an der Kunstuni Graz. Es betrifft alle Studien mit Zulassungstests (Kunst- und Medizinunis, Fachhochschulen). Im STANDARD-Gespräch erläutert Trummer, was ein Musikstudent aus Tiflis nach dem neuen Fremdenrecht tun muss, um in Graz studieren zu können: Mindestens dreimal persönlich in die zuständige Botschaft - nach Moskau. Visumantrag für die Einreise zur Prüfung. Nach dieser muss er Österreich unverzüglich wieder verlassen und in Georgien auf das Testergebnis warten. "Im Schnitt drei Monate", sagt Trummer: "Bis dahin kann der Studienplatz weg sein."

Miete für leere Zimmer

Von Tiflis aus muss er einen Mietnachweis erbringen. "Ein massives Problem", erklärt Peter Gaunerstorfer, Vizegeneralsekretär des Österreichischen Austauschdienstes (ÖAD): "Wenn der Antrag länger braucht, müssen die Leute Miete für leere Studentenzimmer zahlen." Nicht nur das, auch finanzielle Mittel für ein ganzes Jahr (4572 Euro für unter 24-Jährige, 8280 Euro ab 24) müssen nachgewiesen werden: "Für viele Länder ein riesiges Problem."

Eine Alternative - Johann Trummer nennt sie "besonderen Zynismus" - wäre eine "unaufkündbare Haftungserklärung" einer Uni oder einer Privatperson für den ausländischen Studierenden: "Für mindestens fünf Jahre. Der Aufenthaltstitel wird aber maximal ein Jahr erteilt. Da greift man sich an den Kopf, dass es das überhaupt gibt. Schikanen von A bis Z", sagt Trummer.

TU-Vizerektor Kaiser untermauert die "Warnsignale". An der TU Wien gibt es derzeit um 50 Prozent weniger Anmeldungen von Drittstaatsangehörigen als im März 2005. Er fordert namens der Rektoren, "das Gesetz sofort im Verordnungsweg zu entschärfen und mittelfristig zu überarbeiten". (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Print, 10.4.2006)