Wien - Nach mehr als 30-jährigen Bemühungen nimmt Österreich nun formell Beitrittsverhandlungen mit der weltweit führenden Astronomie-Organisation, der Europäischen Südsternwarte ESO, auf. Das bestätigten Vertreter der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik (ÖGAA) und des Bildungsministeriums. Mit einem Abschluss der Verhandlungen wird bis Ende 2007 gerechnet.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer hat kürzlich ein Schreiben mit der Bitte um Aufnahme von Verhandlungen an die ESO abgeschickt. Ein erster Verhandlungstermin könnte schon im Mai stattfinden. Entscheidend wird dabei das "Eintrittsgeld" sein, das die ESO von neuen Mitgliedern als Investitionsablöse für ihre Observatorien verlangt. Dessen Höhe sei nicht verhandelbar und richte sich nach einem Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts.

Vergütung auch durch Sachleistungen

Nach Angaben von ÖGAA-Präsidentin Sabine Schindler von der Uni Innsbruck sind das derzeit einmalig rund 20 Mio. Euro. Verhandelbar sei dagegen, wie viel von diesem Betrag in Form von Sachleistungen, etwa Soft- und Hardware für die Teleskope, erbracht werden kann. Dazu kommt noch ein jährlicher Mitgliedsbeitrag von 2,5 Mio. Euro.

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), der einen ESO-Beitritt grundsätzlich empfohlen hat, hat sich für eine "substanzielle Reduktion" des notwendigen Einstiegsbetrags ausgesprochen. Laut Schindler sind Verhandlungen mit der derzeit zwölf Länder umfassenden Organisation bisher nur mit Australien geplatzt. "Es gibt von allen Seiten guten Willen, aber keine 100-prozentigen Garantien für die Finanzierung", sagte Schindler. Sie ist dennoch zuversichtlich, schließlich wäre ein Beitritt ein "Meilenstein für eine erfolgreiche und dynamische Weiterentwicklung der astronomischen Forschung in Österreich".

Astronomie-Standorte bleiben erhalten

Vom Tisch sind frühere Junktimierungen von ESO-Beitritt und einer Zusammenlegung bzw. Strukturbereinigung der drei Astronomie-Standorte in Österreich. Der Wissenschaftsrat hat dies als nicht sinnvoll angesehen, und auch die drei Rektoren der Unis Wien, Graz und Innsbruck hätten sich für einen Verbleib der Astronomie an ihrer Universität ausgesprochen, sagte Schindler.

---> Hintergrund: Die ESO

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) wurde 1962 in Paris gegründet und hat sich zur weltweit führenden zwischenstaatlichen Astronomie-Organisationen entwickelt. Die Idee dazu wurde bald nach dem Zweiten Weltkrieg geboren: Durch ein gemeinsames europäisches Observatorium sollte der Dominanz der USA in der Astronomie entgegengewirkt werden.

Die Zahl der Mitglieder wuchs seit Gründung beständig, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Portugal, Schweden und die Schweiz zählen mittlerweile dazu. Beitrittsverhandlungen mit Spanien sind mittlerweile abgeschlossen, am 1. Juli wird das Mittelmeerland zwölftes ESO-Mitglied. Das Hauptquartier der ESO liegt in Garching bei München.

Standort La Silla

Als Starthilfe bzw. "astronomischen Marshall-Plan" gab es 1963 für die ESO eine Million Dollar von der Ford Foundation. Das erste Observatorium wurde 1969 auf dem Cerro La Silla, einem extrem trockenen Gebiet rund 600 Kilometer nördlich der chilenischen Hauptstadt Santiago eröffnet. In fast 300 Nächten pro Jahr ist der Himmel über La Silla wolkenlos, es fällt wenig Niederschlag, und die störenden atmosphärischen Turbulenzen sind gering.

Mittlerweile gilt ESO - La Silla als weltweit größtes Observatorium. Neben zahlreichen Lichtteleskopen beherbergt die Einrichtung auch ein Radioteleskop für Mikrowellenstrahlung. Um das Observatorium vor nachteiligen menschlichen Einflüssen wie Lichtverschmutzung oder Staubeinflüssen zu schützen, hat die ESO mehr als 800 Quadratkilometer rund um La Silla erworben.

Size matters

1987 beschloss die ESO eine wesentliche Erweiterung und errichtete ein zweites Observatorium auf dem Cerro Paranal in 2.600 Metern Seehöhe noch weiter nördlich in der chilenischen Atacama-Wüste. Herzstück der 1998 in Betrieb genommenen Sternwarte ist das Very Large Telescope (VLT), das Flaggschiff der europäischen Astronomie. VLT besteht aus vier Spiegelteleskopen mit jeweils 8,2-Meter-Spiegeln. Das Licht der vier Teleskope kann im VLT-Interferometer zusammengeführt werden - womit es das größte Teleskop der Welt ist.

Gemeinsam mit den USA baut die ESO derzeit das größte Radioteleskop der Welt "Atacama Large Millimeter Array" (ALMA). Auf einem Hochplateau in der Atacama-Wüste in etwa 5.000 Meter Höhe sollen bis 2011 mehr als 60 modernste Antennen von je zwölf Metern Durchmesser aufgestellt werden.

Die ESO beschäftigt rund 400 Mitarbeiter. Dazu kommen jährlich noch etwa 600 Gast-Astronomen. Die Organisation verfügt derzeit über ein Jahresbudget von rund 100 Mio. Euro. (APA)