OA Dr.Wolfgang Arocker, Leiter der Diabetesambulanz an der Abteilung für Kinder-und Jugendheilkunde der Krankenanstalt Rudolfstiftung.

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Häufige Ursache für Altersdiabetes von Jugendlichen: Adipositas, - die Fettleibigkeit

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Diabetes mellitus Typ II wird im Volksmund manchmal noch Altersdiabetes genannt, weil er in der Regel nur bei älteren Menschen auftritt. In den USA hat der Begriff Altersdiabetes seine Gültigkeit bereits verloren. Während sich Jung und Alt in Sachen Diabetes in den USA bereits die Waage halten, ist in Österreich mit der Zunahme an Adipositas (Fettleibigkeit) auch ein Anstieg der Diabetes mellitus Typ II im Jugendalter zu beobachten. Über genaue Zahlen ist aber in Europa noch wenig Datenmaterial vorhanden.

Über die Entwicklungen in Österreich führte derStandard.at/Gesundheit ein Gespräch mit OA Dr. Wolfgang Arocker, Leiter der Diabetesambulanz an der Abteilung für Kinder-und Jugendheilkunde der Krankenanstalt Rudolfstiftung.

derStandard.at: Wann sind die ersten Fälle von DM-Typ II bei Kindern aufgetreten?

Arocker: Ende der 70-er Jahre sind in Amerika Diabetesfälle bei Kindern in und nach der Pubertät aufgetreten, die dem klassischen Typ II Diabetes beim Erwachsenen sehr ähnlich waren. Typisch war das Auftreten bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, vor allem bei Hispaniern, Afroamerikanern und bei Indianern. Man hat dadurch herausgefunden, dass ein starker genetischer Einfluss besteht. Wesentlichen Einfluss darauf ob sich der II-Diabetes ausprägt oder nicht haben aber auch die Umweltbedingungen. Sowohl der Typ II-DM bei Kindern als auch bei Erwachsenen geht fast immer gleichzeitig mit dem metabolischen Syndrom (Übergewicht, Hyperlipidämie/Fettstoffwechselerkrankung, Hypertonie/Bluthochdruck) einher. In Amerika gibt es Staaten in denen die neuen Zahlen des Diabetes mellitus II bei Jugendlichen zumindest schon gleich häufig sind wie Diabetes mellitus Typ I.

derStandard.at: Wie sehen die Zahlen in Österreich aus?

Arocker: In Österreich, beziehungsweise in Europa sind die Zahlen noch sehr gering. In Österreich gibt es beim DM TypI bei Kinder und Jugendlichen eine Inzidenz von Neuerkrankungen von 12 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Beim Diabetes mellitus Typ II vermutet man 0,5 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Man weiß jedoch, dass die Inzidenz in Österreich massiv steigt, es gibt jedoch keine Daten diesbezüglich.

derStandard.at: Wieviele Fälle von TypII Diabetes bei Kindern gibt es in ihrer Ambulanz?

Arocker: Ich habe hier erst 2 Fälle. Bei beiden besteht ein familiärer Zusammenhang.

derStandard.at:Wie alt sind diese Kinder?

Arocker: Diese Kinder sind immer in oder bereits kurz nach der Pubertät, frühestens ab dem 10.Lebensjahr. Das ist typisch, da in der Pubertät die Insulinresistenz physiologischerweise steigt. Bei diesen Kindern normalisiert sich die Insulinresistenz im Anschluss an die Pubertät nicht.

derStandard.at: Wie kommt man drauf, dass die Kinder DM Typ II haben?

Arocker: Ein Zusammenhang mit Übergewicht muss bestehen. Daher sollte man bei übergewichtigen Kindern, ab dem 10.Lebensjahr einen Oralen Glucosetoleranztest machen. Damit hofft man die meisten Kinder herauszufiltern.

DerStandard.at: Wo liegen Ihrer Meinung nach die gängigsten Ernährungsfehler?

Arocker: In der Familie natürlich.

derStandard.at: Welche Ernährungsfehler sind das genau?

Arocker: Es wird natürlich prinzipiell zu viel und oft das Falsche gegessen. Schlagwort "Junk Food". Dankenswerterweise laufen gerade in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen von großen Handelsketten oder von "Junk food Ketten um mehr Informationen und auch praktische Nahrungsangebote unter die "Leute" zu bringen.

derStandard.at: Ist die Familie in der Therapie ein sehr schwieriger Faktor?

Arocker:Absolut. Es mangelt an der Einsicht vieler Eltern. Das Übergewicht ist natürlich auch ein soziales Problem.

derStandard.at:Kommen therapeutisch auch orale Antidiabetika zur Anwendung?

Arocker: Ja, wobei wesentlich in der Therapie die Lifestyleänderung ist. Das heißt Gewichtsreduktion, mehr Bewegung, vernünftigere Ernährung. Und dann wird diskutiert wie früh Metformin und/oder Insulin angewendet werden soll. Metformin (Biguanid) ist bei Kindern ab dem 10.Lebensjahr zugelassen und hat sich sehr bewährt.

derStandard.at: Wie sieht es mit Langzeitfolgen aus? Werden bei Kindern bereits in der Pubertät routinemäßig Augenkontrollen, und Untersuchungen der Nieren gemacht?

Arocker: Muss man, ganz klar. Die Augen sind ein ganz wesentlicher Punkt. Den Gefäßstatus eines Menschen sieht man direkt optisch am Augenhintergrund.

derStandard.at:Treten bei Jugendlichen in Amerika bereits Langzeitschäden auf?

Arocker: Es gibt Meldungen dass schon bei Auftreten eines Diabetes mellitus Typ II bestimmte noch reversible Augenfundusveränderungen vorliegen.

derStandard.at: Gibt es in Österreich schon Langzeitkonzepte? Arocker: in Niederösterreich gibt es sehr gute Programme: in Pressbaum das Ferienlager "Fit statt dick", das das Institut Sacré Coeur der Erzdiözese Wien unter ärztlicher Leitung von Univ. Prof. Dr. Zwiauer im Sommer anbietet. Das Gesundheitsforum Niederösterreich bietet ein 3-wöchige Feriencamps in Hollenstein/Ybbs an. Und in Wien gibt es diesbezüglich Bemühungen am Allgemeinen Krankenhaus an der Kinderklinik. Univ.Prof. Dr. Kurt Widhalm ist dort federführend. (phr)