montage: derStandard.at

Ingrid*, Österreicherin und Ehefrau des Nigerianers Ben* ist mehr als wütend. "Das neue Fremdenrechtspaket ist einfach nur eine Frechheit!" Ben wartet seit 2004 auf das Ergebnis seiner Berufung im Asylverfahren. Als sich Ingrid und Ben dazu entschlossen, zu heiraten, zog er seinen Asylantrag zurück, um als Ehepartner einer Österreicherin Niederlassung beantragen zu können. Was bis 2005 noch die übliche und angeratene Vorgangsweise war. Leider blieb der Antrag auf Niederlassung aber über ein Jahr liegen, seit 1.1.2006 ist nun über Nacht alles anders. "Plötzlich ist mein Mann illegal im Land und er könnte jederzeit abgeschoben werden."

 

Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels können nämlich seit 2006, wenn der Fremde mit einem Österreicher verheiratet ist und noch keinen anderen Aufenthaltstitel hat, generell nur mehr im Ausland gestellt werden. Egal, ob im Herkunftsland Gefahr droht oder nicht, egal, ob er in Österreich bereits Familie hat.

Ohne Übergangsfrist

Am 1.1.2006 traten die Bestimmungen ohne jegliche Übergangsfrist in Kraft. "Viele Betroffene wissen heute noch nicht, dass ihre Ehepartner seit fast drei Monaten illegal im Land sind, das Ministerium hat keinerlei Interesse, die neue Lage zu kommunizieren," ist Ingrid überzeugt. Laufend werden in ihrem Bekanntenkreis Betroffene in Schubhaft genommen. Auf rechtsverbindliche Beratung oder konkrete Informationen warten viele vergeblich. "Kennzeichnend für die derzeitige Situation ist auch, dass wir derzeit keine Behörde haben, die eine verbindliche Rechtsauskunft geben kann. Behördenvertreter klagen darüber, dass sie auch aus dem Ministerium sich völlig widersprechende Rechtsauskünfte bekommen," bestätigt auch Rechtsanwalt Georg Bürstmayer in der derStandard.at-Einserfrage.

Selbsthilfe

Um die Situation der Desinformationen zumindest etwas entschärfen zu können, griffen einige betroffene Familien Anfang des Jahres zur Selbsthilfe und bildeten unter anderem die Gruppe "Ehe ohne Grenzen". Mittlerweile sind mehr als 80 Familien Teil dieser Initative, die Betroffenen Hilfe vermittelt. Bei den Treffen stehen Rechtsberater von NGOs wie den Helping Hands, der Asylkoordination oder FIBEL (Fraueninitiative Bikulturelle Ehen und lebensgemeinschaften) zur Verfügung, Erfahrungen werden ausgetauscht. "Viele von den Betroffenen haben Klagen eingereicht, unter anderem laufen Klagen auf Basis von Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, und gegen den Staat Österreich wegen der Ungleichbehandlung von Österreichern und EWR-Bürgern", erzählt Ingrid, die erst vor kurzem zur Initative gestoßen ist.

Keine Asylanten mehr

Ein pikantes Detail der Regelung im neuen Niederlassungs- und Aufenhaltsgesetz: sie gilt nicht für EWR-Bürger, ihre Ehepartner müssen das Land nicht verlassen, um Niederlassung zu beantragen. "Das ist garantiert verfassungswidrig," eine Meinung, die Ingrid mit Verfassungsexperten teilt. Bis die Klagen der Betroffenen allerdings vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem EUGH behandelt werden, könnten Jahre vergehen. Was Ingrid mit einem verzweifelten Schulterzucken kommentiert. "Solange werden unsere Ehemänner und -frauen abgeschoben, werdem wir weiter Angst haben, dass die Fremdenpolizei unsere Partner holt, manche werden sich weiter wegen Unterbringung Illegaler strafbar machen."

Spitze des Eisberges

"Wir sind allerdings nur die Spitze des Eisberges", vermutet Ingrid, der durchaus bewusst ist, dass Asylwerber mit österreichischen PartnerInnen auch Vorteile haben. "Nicht jeder Fremde hat Menschen, die die Sprache und den Rechtsstaat kennen und sich bis zur Selbstaufgabe für sie einsetzen. Einzelschicksale begegneten ihr vor allem im Warteraum der Fremdenpolizei. Hier ist auch Ingrids Plan gereift, bald selbst eine Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen: "Nicht nur für Ehepartner, für alle vom neuen, unmenschlichen Fremdenpaket Betroffenen." (mhe)