Sein Ruf war ihm vorausgeeilt, wenn auch nicht sehr laut. In den 80er-Jahren hörte man erstmals von einem Einzelgänger im mährischen Netcice, der sich mit einem einzigen Thema obsessiv auseinander setzte. Der 1926 geborene Maler und Zeichner
Miroslav Tichý hatte sich mit einfachsten Mitteln eine Kamera und mit ihr eine singuläre Welt geschaffen:

Foto: kunsthaus.ch

Bilder von Frauen und Mädchen aus seiner Umgebung. Bis zu hundert pro Tag sollen es gewesen sein, Schnappschüsse, Posen und fetischistische Details. Tichý behandelte sie scheinbar lieblos, zerschnitt, faltete, malträtierte sie. Tatsächlich aber entstand eine berührende Sammlung von Hingabe und unwahrscheinlicher Poesie inmitten provinzieller Tristesse.

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Naturgemäß wurde die Psychiatrie auf ihn aufmerksam, andererseits aber auch - art brut! - Fotohistoriker und Sammler. Das vorliegende Buch Tichý (ca. € 40,-) mit Texten von Tobias Bezzola und Roman Buxbaum diente einer großen Ausstellung im Kunsthaus Zürich als Katalog.(mf/ALBUM/DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.3.2006)

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