Minsk - Trotz sinkender Teilnehmerzahlen hat die belarussische Opposition am Donnerstag im Stadtzentrum von Minsk ihre Protestaktion gegen die Präsidentenwahl fortgesetzt. Etwa 700 Menschen harrten bei eisigen Temperaturen in der Nacht auf Donnerstag auf dem Oktoberplatz aus. Am Donnerstagvormittag waren noch etwa 200 Menschen auf dem Platz. Die Polizei kontrollierte den Zugang. Bürger, die den Demonstranten Nahrungsmittel bringen wollten, wurden abgewiesen. Die Wahlkommission erklärte Präsident Alexander Lukaschenko unterdessen mit 83 Prozent der Stimmen offiziell zum Sieger der Wahl am Sonntag.

Die Zahl der Kundgebungsteilnehmer lag am Donnerstag deutlich unter derjenigen der Vortage. Am Montag waren noch 5000 Menschen auf dem Platz, am Dienstag 3000 bis 4000. Für Samstag hat die Opposition eine Großkundgebung angekündigt.

Arbeit fortsetzen

Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch kündigte an, nach Samstag die öffentlichen Proteste zu beenden. "Das heißt aber nicht, dass wir unseren Kampf aufgeben. Wir werden unsere Arbeit in den Regionen fortsetzen", betonte Milinkewitsch. Da jegliche Oppositionsarbeit in Belarus praktisch verboten sei, werde man "in den Untergrund gehen". Gleichzeitig lobte er seine Anhänger für ihren Durchhaltewillen. Sie hätten alle Erwartungen übertroffen, sagte Milinkewitsch am Donnerstag auf dem Oktoberplatz.

Nach Oppositionsangaben wurden seit Sonntag 250 Anhänger der Opposition festgenommen. Die Mehrzahl von ihnen sei gefasst worden, als sie die tägliche Demonstration auf dem Oktoberplatz verließen, sagte Ales Bilatski von der Menschenrechtsorganisation Wiasna. Auch in anderen Landesteilen seien zahlreiche Aktivisten gefasst worden, insbesondere in der Metropole Grodno im Westen von Belarus. Die meisten Festgenommenen wurden laut Wiasna wegen Delikten wie Randalierertums zu Gefängnisstrafen von einigen Tagen bis zu zwei Wochen verurteilt.

Milinkewitschs stellvertretender Wahlkampfleiter Viktor Kornijenko wurde am Donnerstag vor seiner Wohnung niedergeschlagen, wie der Sprecher des Oppositionsführers erklärte. Er sei mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Das Innenministerium erklärte, in den vorangegangenen 24 Stunden seien 15 Personen wegen der Teilnahme an dem nicht genehmigten Protest festgenommen worden.

Die Vereinten Nationen forderten die belarussische Führung auf, alle festgenommenen Demonstranten freizulassen. Zudem müssten Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sofort aufhören, erklärte der UNO-Sonderberichterstatter für Belarus, Adrian Severin, am Donnerstag. Seit Sonntag wurden nach Severins Angaben mehr als 100 Demonstranten inhaftiert und viele andere davon abgehalten, sich an den Protesten zu beteiligen.

Auch die OSZE forderte die sofortige Freilassung der Lukaschenko-Gegner. "Es ist nicht zu akzeptieren, dass Menschen festgenommen werden, weil sie von ihrem Recht Gebrauch machen, sich zu versammeln und ihre Meinung zu bekunden", sagte der amtierende OSZE-Vorsitzende, der belgische Außenminister Karel de Gucht, in Brüssel.

Ungeachtet der Klagen über Wahlrechtsverstöße erklärte die Wahlleitung in Minsk den amtierenden Staatschef offiziell zum Wahlsieger in Belarus erklärt. "Die Wahlen verliefen einfach fabelhaft", betonte die Vorsitzende der Wahlleitung, Lidija Jermoschina, am Donnerstag. Der seit 1994 regierende Lukaschenko sicherte seine dritte Amtszeit mit einem Stimmenanteil von 83 Prozent. Der Anführer der demokratischen Kräfte, Milinkewitsch, kam demnach auf 6 Prozent. Auf den zweiten Oppositionskandidaten Alexander Kosulin entfielen 2,2 Prozent der Stimmen. (APA/AP/dpa/Reuters)