Mikel Reparaz ist Informations­chef bei der spanischen Ausgabe des baskischen Radio­senders EITB und berichtete bereits im Jahr 1998 über die von der ETA damals verkündete Waffenruhe sowie deren Scheitern.

Foto: EITB
Was Beobachter schon seit Monaten erwarteten ist am Mittwoch eingetreten: Die baskische Terrororganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) hat einen dauerhaften Waffenstillstand angekündigt und damit die Bedingung der Regierung für den Beginn eines Dialogs im Baskendland erfüllt. Im derStandard.at -Interview erklärt der baskische Journalist Mikel Reparaz, warum er dies für den Durchbruch auf der Suche nach einer Lösung für den Basken-Konflikt hält.

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derStandard.at: Die ETA hat eine Waffenruhe verkündet, ist dies nun der Durchbruch für die Lösung des Konflikts?

Mikel Reparaz: Es gibt eine unbefristete Waffenruhe und dies war die Bedingung der spanischen Regierung für den Beginn eines Dialogs im Baskenland.

Ich bin optimistisch, denn die sozialistische Partei hat ja bereits erklärt, dass es das war, worauf sie gewartet hat. Premier (José Luis Rodriguez, Anm.) Zapatero hat in einer ersten Reaktion zwar gemeint, er wolle vorläufig nicht auf diese Waffenruhe reagieren, sondern sich Zeit nehmen und die Lage analysieren. Aber die Regierung wird den Dialog beginnen, dessen bin ich mir sicher.

derStandard.at: Skeptiker meinen, dass ETA bereits zuvor mehrmals Waffenruhen verkündet, diese aber nicht eingehalten hat. Ist die derzeitige Situation wirklich anders?

Reparaz: Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Unterschiede zur letzten Waffenruhe der ETA, die im Jahr 1998 unter der Regierung Aznar verkündet worden war: Erstens war diese lediglich vorübergehend, während die jetzige Waffenruhe kein Ablaufdatum hat.

Zweitens gibt es heute einen wesentlich breiteren politischen Konsens: Mit Ausnahme der PP (die konservative "Partido Popular", Anm.) bekennen sich alle anderen Parteien zu einer politischen Lösung. Der wesentliche Unterschied und zugleich die wesentliche Voraussetzung für den Beginn des Dialogs ist der Richtungswechsel der Sozialistischen Partei. Deshalb bin ich mir völlig sicher, dass es eine Lösung geben wird.

derStandard.at: Wie schätzen sie die Reaktion der PP ein bzw. welche Rolle spielen die Konservativen?

Reparaz: Die PP bekennt sich nicht zum politischen Prozess und wirft den Sozialisten und Zapatero immer wieder vor, die Übereinkunft gegen die ETA und den Terrorismus gebrochen zu haben. Die Reaktion von (Parteichef Mariano, Anm.) Rajoy auf die Ankündigung der ETA aber war sehr moderat, er ließ sich eine Tür offen.

derStandard.at: Bislang schien Rajoy allerdings nicht sehr kompromissbereit. Wie erklären Sie diesen Wandel?

Reparaz: Der Punkt ist, dass es nun kein Zurück mehr gibt und das dürfte ihm klar sein. Selbst wenn sich die PP also vorerst nicht am Prozess beteiligt, so wird ihr am Ende gar nichts anderes übrig bleiben als mitzumachen. Denn für den Fall, dass es Zapatero nun tatsächlich gelingen sollte, den Basken-Konflikt - und damit den wichtigsten Konflikt in der spanischen Gesellschaft - zu lösen, würde die PP teuer dafür bezahlen, wenn sie an ihrer Strategie der Dialogverweigerung festhält.

derStandard.at: Noch vor rund zwei Wochen hat die verbotene Batasuna zum Generalstreik aufgerufen, allerdings folgte diesem Aufruf nahezu niemand. Hat die ETA überhaupt noch einen Rückhalt in der Bevölkerung?

Reparaz: Das ist ein sehr wichtiger Punkt: Ich denke, dass die ETA nahezu jegliche Unterstützung verloren hat, die sie in der baskischen Bevölkerung einmal hatte. Ein wesentlicher Beleg dafür war dieser Streik, an dem sich fast niemand beteiligt hat. Dies ist ein wichtiger Parameter für die derzeitige Stimmung im Baskenland.

derStandard.at: Wie wird es Ihrer Einschätzung nach nun weitergehen?

Reparaz: Zunächst muss ein Zeitplan erarbeitet werden. Allerdings wird dies nicht innerhalb des nächsten Monats passieren. Ich rechne noch nicht einmal vor Juni damit, denn alle Parteien werden sich Zeit nehmen, dies gut vorzubereiten. Aber auch dann gehe ich davon aus, dass der Prozess sehr lange dauern wird, vermutlich eine oder zwei Legislaturperioden, also fünf bis acht Jahre – genau ist das natürlich nicht abschätzbar.

Zunächst wird es vermutlich einen Runden Tisch mit allen politischen Parteien geben, die in der baskischen Gesellschaft vertreten sind.

derStandard.at: Wird daran auch die verbotene Batasuna beteiligt sein?

Reparaz: Davon gehe ich aus. Es gab zwei Bedingungen, nämlich dass entweder die Batasuna die Gewalt der ETA verurteilt oder aber dass die ETA selbst der Gewalt abschwört. Eine dieser Bedingungen ist nun erfüllt.

derStandard.at: Wird Parteisprecher Arnaldo Otegi dennoch ins Gefängnis gehen?

Reparaz: Ja, ich habe gestern Abend mit ihm gesprochen und er geht davon aus. Aber dies wird kein Hindernis sein, sondern ich halte es mehr für einen propagandistischen Schritt.

Neben Otegi gibt es noch zwei weitere Batasuna-Mitglieder, die derzeit im Gefängnis sitzen und vermutlich in den ein paar Wochen freigelassen werden.

derStandard.at: Was werden Ihrer Meinung nach die wichtigsten Punkte bei den Verhandlungen sein?

Reparaz: Man wird in zwei Punkten eine Übereinkunft finden müssen: Erstens darüber, wie ein neues Verhältnis zwischen dem Baskenland und dem spanischen Staat aussehen könnte. Der andere Punkt ist, in welcher Form die baskische Gesellschaft ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben wird. Hier stehen wir natürlich erst am Anfang, aber dieser Prozess wird eine Lösung für den Konflikt bringen, unter dem wir im Baskenland leiden.