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Helmut Elsner bei der Bilanz-PK am Dienstag, 23. April 2002.

Foto: APA/Jäger

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AP/Zak
Wien – Nachdem im Zuge der Aufarbeitung des Refco-Kreditskandals der Bawag karibische "Altlasten" in Höhe von einer Milliarde Euro Verluste aus hochspekulativen, schief gegangenen Geschäften bekannt wurden, scheint die Gewerkschaftsbank nunmehr vor weiteren personellen Konsequenzen zu stehen.

Beim Eigentümer der Bawag, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), fanden Mittwochnachmittag Krisensitzungen statt. Die ursprüngliche Strategie des ÖGB-Präsidiums, wonach mit dem Rücktritt von Ex-Bawag-Chef Johannes Zwettler zu Jahresende 2005 die Causa Refco bereinigt sei, dürfte die nächste Woche nicht überdauern. "Der ÖGB wird in Vorstand und Aufsichtsrat aufräumen müssen", erklärte ein einflussreicher Gewerkschafter dem STANDARD. ÖGB-Finanzchef Günter Weninger steht dem Aufsichtsrat der Bank vor. Derzeit ist unklar, wer im Aufsichtsrat von den karibischen Verlusten zwischen 1995 und 2000 informiert war.

Die neu aufgetauchten Verluste, die nach dürren Angaben der Bank vom Mittwoch in den Bilanzen der vergangenen fünf Jahre verdaut wurden, sind jetzt auch ein Fall für den Wiener Staatsanwalt Ronald Schön, der sich bereits um die Refco-Kredite kümmert. Schön, der in ständigem Kontakt zur US-Börsenaufsicht SEC steht, vermutet "einen Zusammenhang zwischen den Geschäften".

Am Freitag will die Bawag P.S.K. die Öffentlichkeit über die Details der Verluste, die sie in der Karibik in den vergangenen Jahren in den Sand gesetzt hat, informieren. Wie der STANDARD exklusiv berichtet hat, haben sich diese Verluste aus schief gelaufenen Investitionen auf fast eine Milliarde Euro summiert.

Aufsichtsrat uninformiert

Aufklären wollen Bawag- Chef Ewald Nowotny und sein Vize, Stefan Koren, auch die Frage, wie die Bank die Riesenverluste in den Bilanzen „untergebracht“, also wertberichtigt hat. Am Aufsichtsrat, oder jedenfalls einem Teil seiner Mitglieder, sind die Geschäfte, die Verluste und ihre Bereinigung jedenfalls spurlos vorüber gegangen. „Ich weiß von gar nichts“, so ein Kapitalvertreter zum Standard.

Wie die Verluste in den Bilanzen – möglicherweise – verdaut worden sind, lässt sich vereinfacht so darstellen: Ein Geschäft geht schief, der Verlust wird nicht als solcher verbucht, sondern als nicht werthaltige Anleihe, Forderung oder Beteiligung oder Kombination aus alledem ausgewiesen.

Das bleibt so, bis sich ein außerordentlicher Ertrag auftut: Dann wird im Gleichschritt dieser Ertrag verbucht und die nicht werthaltigen Aktiva werden abgewertet – sodass die ganze Transaktion nicht weiter auffällt.

Außerordentliche Erträge hat es in der Bawag jedenfalls immer wieder gegeben: nach dem Verkauf von max.mobil, der Mobiltel, der zehn prozentigen Refco-Beteiligung, der Beteiligung an der Investkredit. Und ihre Lotterien-Anteile hat die Gewerkschaftsbank jüngst durch Einbringung in eine Holding kräftig aufgewertet.

Alles testiert

Die Bawag betont, dass all ihre Bilanzen von den Wirtschaftsprüfern der KPMG „geprüft und testiert“ sind. Die KPMG-Wirtschaftsprüfer waren übrigens in der Vorwoche bei der Finanzmarktaufsicht FMA vorgeladen gewesen.

In der Zentrale der Bawag in der Wiener Seitzergasse herrschte am Mittwoch ziemliche Hektik. Die Aufsichtsräte fanden sich zu ihren Besprechungen zusammen, um das weitere Procedere zu besprechen, formell tritt der Aufsichtsrat am Freitag früh zusammen. „Der damalige Vorstand hat in der Karibik experimentiert. Er hat geglaubt, wenn er dort und in den USA Geschäfte macht, kommt die Bawag aus ihrem Status der Mickey-Maus-Bank heraus“, sagt ein Aufsichtsrat.

Krisensitzungen

Im ÖGB, dem die Bawag seit dem Sommer 2004 zu hundert Prozent gehört und dessen Finanzchef Günter Weninger dem Aufsichtsrat der Bank vorsteht, gab es gestern, Mittwoch, Sitzungen in Permanenz. Die Strategie des Präsidiums, wonach mit dem Rücktritt von Ex-Bawag-Chef Johann Zwettler zu Jahresende 2005 die personellen Konsequenzen in der Bank perfekt sind, dürfte die laufende Kalenderwoche nicht überleben. Ein einflussreicher Gewerkschafter: „Der ÖGB wird im Vorstand und Aufsichtsrat aufräumen müssen.“

Zur Erklärung: Im achtköpfigen Vorstand sitzen zwei gut informierte Sekretäre der Ex- Bawag-Chefs Zwettler und seines Vorgängers, Helmut Elsner (er hat die Karibik-Geschäfte wieder aufleben lassen und angesichts der explodierenden Verluste rund ums Jahr 2000 wieder abgedreht; Zwettler war sein Vize). Weiters im Vorstand: Die für den Not leidenden Refco-Kredit über 425 Mio. Euro (392 Mio. davon müssen in der Bilanz 2005 abgeschrieben werden) zuständigen Manager.

Auch Ronald Schön, der Wiener Staatsanwalt, der in der Causa Bawag-Refco-Kredit die Vorerhebungen führt, wird sich der nun aus den Tiefen der Karibik aufgetauchten Geschäfte annehmen. Schön, der noch auf Auskünfte aus den USA wartet und „in Kontakt mit der US-Aufsichtsbehörde SEC“ steht: „Ich sehe einen Zusammenhang zwischen den Geschäften – wir werden uns das alles anschauen.“

ÖGB muss nicht tilgen

Dass der ÖGB mit der Bedienung des Kredits, den er für den Rückkauf der Bawag-Anteile aufgenommen hat, in Bedrängnis kommt, ist unwahrscheinlich. Ursprünglich hatte der Verkäufer, die Bayerische Landesbank der Bawag den Kaufpreis gestundet, inzwischen wurde umgeschuldet.

Aber: Die Bawag-Anteile selbst dienen dem neuen Kreditgeber als Sicherheit – „aber die Bank wird von Tag zu Tag weniger wert, der Kreditgeber wird wohl bald nervös werden“, sagt ein Wiener Banker. (Renate Graber, DER STANDARD Printausgabe, 23.03.2006)